2. Untersuchungsausschuss
Berlin: (hib/VOM) Nach Auffassung von Bundesinnenminister Otto
Schily (SPD) hat der so genannte Volmer-Erlass vom 3. März
2000 nicht dazu geführt, dass die Zahl der an der deutschen
Botschaft in Kiew erteilten Visa markant angestiegen ist. So sei
die Zahl der zwischen 1999 und 2001 erteilten Visa zwar um 42
Prozent gestiegen, doch habe es bereits zwischen 1997 und 1999
einen Anstieg um 37 Prozent gegeben, sagte Schily am
Freitagvormittag vor dem 2. Untersuchungsausschuss. Schilys
Zeugenvernehmung war am vergangenen Freitag aufgrund der
Terroranschläge in London um eine Woche verschoben worden. Der
Minister hatte sich bei seiner Darstellung des Sachverhalts auch
nicht durch vereinzelte Interventionen des Ausschussvorsitzenden
Hans-Peter Uhl und des Abgeordneten Siegfried Kauder (beide
CDU/CSU) davon abbringen lassen, seinen mit Aktenzitaten
gesättigten Vortrag zu kürzen. Gleich zu Beginn
verdeutlichte Schily, dass das Bundesinnenministerium für die
Praxis der Visa-Erteilung nicht zuständig ist, sondern dass
dies ausschließliche Aufgabe des Auswärtigen Amtes und
seiner Auslandsvertretungen sei. Allerdings seien einige
Mitarbeiter seines Ministeriums auf der "untersten Arbeitsebene" in
einigen Fällen ohne sein Wissen zur "Mitzeichnung" von
Erlassen des Auswärtigen Amtes "verleitet" worden. Es habe
sich dabei um Angewohnheiten einiger weniger Referenten gehandelt,
die sich bereits vor 1998 eingeschlichen hätten und unter
anderem auf Übereifer und
Zuständigkeitsüberschreitung zurückzuführen
gewesen seien. An der Ausarbeitung des Volmer-Erlasses ist das
Innenministerium nach Aussage Schilys nicht beteiligt gewesen. Der
Erlass, der das Personal in den Auslandsvertretungen anweist, im
Zweifel für die Reisefreiheit zu entscheiden, stehe in der
Tradition der Politik des Auswärtigen Amtes. Schon 1994, zur
Zeit der Regierung Kohl, sei der Grundsatz "Im Zweifel für den
Antragsteller" ausgegeben worden. Nur bei begründeten Zweifeln
am Reisezweck und an der Rückkehrbereitschaft der
Antragsteller sollten Visa versagt werden. Es sei das Ziel gewesen,
den Reise- und Besucherverkehr zu fördern. In Kiew, so der
Minister weiter, sei mit 298.000 erteilten Visa im Jahr 2001 ein
Höchststand erreicht worden, 2003 seien es nur noch 135.000
Visa gewesen. Der Anteil abgelehnter Visa-Anträge sei von
einem Prozent 1998 auf 16,6 Prozent im Jahr 2003 angestiegen. Das
Innenministerium hat nach Darstellung Schilys "Klarstellungen" im
Volmer-Erlass gefordert. So sei beanstandet worden, dass ein Visum
nur bei fehlender hinreichender Rückkehrbereitschaft des
Antragstellers versagt werden soll. Auch sei darauf hingewiesen
worden, dass die harmonisierte Praxis in der EU eingehalten werden
muss. Er selbst habe in dieser Sache einen "geharnischten Brief" an
Außenminister Fischer geschrieben, sich dann aber mit seinem
Amtskollegen geeinigt, das Kabinett nicht mit der Angelegenheit zu
befassen, sondern ihn auf Staatssekretärsebene klären zu
lassen. Das Außenministerium sei aber nur zur
Erläuterung des Erlasses, nicht zu einer Beteiligung des
Innenministeriums bereit gewesen. Staatssekretär Günter
Pleuger vom Auswärtigen Amt habe schließlich schriftlich
bestätigt, dass das Ausländerrecht und die Regelungen der
Schengen-Vertragsstaaten "unverrückbarer Rahmen" der
Visa-Praxis seien. Der "versteckte Dissens" zwischen den beiden
Ministerien sei damit aber nicht ausgeräumt gewesen. Schily
kritisierte im Übrigen das Informationsverhalten des
Auswärtigen Amtes, das nicht immer optimal gewesen sei. Sein
Ministerium sei beispielsweise nur vereinzelt über Erlasse zur
Visa-Praxis und nicht über Motive und Hintergründe bei
der Abfassung solcher Erlasse informiert worden.
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