Fall El-Masri: Steinmeier weist Vorwürfe als "infam" zurück
Berlin: (hib/KOS) Als "infam" und "haltlos" hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Vorwürfe zurückgewiesen, während seiner Zeit als Kanzleramts-Chef hätten die Regierung oder deutsche Behörden Beihilfe zur Entführung Khaled El-Masris geleistet. Hiesige Stellen, so der SPD-Politiker am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss, hätten von der Verschleppung des Deutsch-Libanesen weder gewusst noch diese Aktion geduldet. Der fälschlicherweise unter Terrorverdacht geratene Neu-Ulmer Bürger war zum Jahreswechsel 2003/2004 in Mazedonien rechtswidrig festgenommen und dann von der CIA bis Ende Mai 2004 in Afghanistan inhaftiert worden. Wie Steinmeier wehrte sich vor dem parlamentarischen Gremium auch Ex-Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) gegen Kritik, die damalige rot-grüne Regierung habe sich nach der Freilassung El-Masris gegenüber den USA weggeduckt und bei der Aufklärung dieser Affäre Zurückhaltung geübt.
Zum Auftakt seiner Vernehmung als Zeuge stellte Steinmeier in einer fast einstündigen Rede den Fall El-Masri in den Kontext der nationalen und internationalen Terrorbekämpfung nach den Attentaten des 11. September 2001. Einerseits sei es in der Regierung und auch im Bundestag Konsens gewesen, bei der Abwehr der von islamistischen Terroristen ausgehenden Gefahren alle Möglichkeiten des Rechtsstaats auszuschöpfen. Andererseits habe man, so der heutige Minister, stets auf die Wahrung des Rechtsstaats geachtet. Steinmeier wies Kritik zurück, die deutschen Geheimdienste hätten im Rahmen des unverzichtbaren Informationsaustauschs mit US-Sicherheitsbehörden Beihilfe zu Verschleppungsaktionen in Geheimgefängnisse geleistet. Die Washington gegebene Zusage uneingeschränkter Solidarität beim Antiterror-Kampf habe nichts mit "blinder Gefolgschaft" zu tun und stelle auch "keinen Freibrief für Entführung und Folter" dar. Der SPD-Politiker warnte jedoch davor, sich gegenüber den USA als "selbstgerechte Eiferer aufzuspielen", schließlich sei dieses Land Opfer der Anschläge vom 11. September geworden.
Im Einzelnen führte Steinmeier zur Entführung El-Masris aus, von dieser Aktion erst im Juni 2004 nach der Freilassung des Deutsch-Libanesen durch einen von dessen Anwalt verfassten Brief erfahren zu haben. Auf diese Schilderungen habe man in der Lagebesprechung mit den Präsidenten der Sicherheitsbehörden zunächst "ungläubig" reagiert. Erst später hätten sich die Informationen verdichtet, dass sich diese Verschleppung wohl tatsächlich zugetragen habe. Die Staatsanwaltschaft und die deutschen Dienste hätten, so der Ex-Kanzleramtschef, zur Aufklärung dieses Falls zügig ihre Ermittlungen aufgenommen. Nach seiner Kenntnis hätten hiesige Stellen keine Informationen über den Deutsch-Libanesen an die USA weitergegeben. Es sei auszuschließen, dass es sich bei dem deutschsprechenden "Sam", der nach El-Masris Angaben bei Verhören in Afghanistan zugegen war, um einen Mitarbeiter deutscher Sicherheitsbehörden handele. Laut Steinmeier hat Berlin nach Bekanntwerden des Kidnappings deshalb nicht sofort direkt bei der US-Regierung interveniert, weil man zunächst die Stichhaltigkeit der Beschuldigungen El-Masris untermauern musste. Der Außenminister erklärte, man werde auch gegenüber Mazedonien weiterhin mit Nachdruck auf Aufklärung in dieser Affäre dringen.
Nach den Erläuterungen Fischers stufte er als damaliger Außenminister nach den ihm im Juni 2004 erstmals zugegangenen Informationen die Entführung El-Masris sofort als "sehr gravierenden" und inakzeptablen Vorgang ein. Laut Fischer wurde zwischen Auswärtigem Amt, Kanzleramt und Innenministerium entschieden, dass dessen Ressortchef Otto Schily (SPD) über die Kontakte zu den US-Sicherheitsbehörden nähere Informationen in Washington einholen sollte. Dieser Weg sei, so der grüne Politiker, erfolgversprechender als die "diplomatische Schiene" eingestuft worden. Entsprechende außenpolitische Kontakte hätten seinerzeit in den USA "vor verschlossenen Türen" geendet. Nach seinen Erinnerungen, sagte Fischer, sei aber auch Schily bei seinen Bemühungen nicht weit gekommen. Der frühere grüne Minister verteidigte das damalige Vorgehen gegenüber Washington im Rückblick als nach wie vor richtig. Hätte er allerdings nicht erst im Dezember 2005 von dem Treffen zwischen Schily und Daniel Coats erfahren, bei dem der US-Botschafter den Innenminister bereits am 31. Mai 2004 über die Verschleppung El-Masris unterrichtet hatte, hätte dies natürlich "einiges verändert", räumte Fischer ein.
Vor Journalisten sagte FDP-Obmann Max Stadler, der Grünen-Politiker habe vor dem Ausschuss sein "Waterloo" erlebt. Dessen Vernehmung habe ein "schlimmes Licht" auf die Außenpolitik der damaligen Regierung geworfen. Fischer habe in den USA keine offenen Türen gefunden, kritisierte der Liberale, um die Interessen deutscher Bürger zu vertreten. Deshalb sei Schily mit den Recherchen in Washington beauftragt worden.
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