hib-Meldung
024/2007
Datum: 29.01.2007
heute im Bundestag - 29.01.2007
Kultur und Sport als Staatsziele umstritten
16/387). Kritiker warnten vor einer
"Inflationierung" von politisch-programmatischen Festlegungen in
der Verfassung, vor einer zunehmenden Verrechtlichung der Politik,
vor einer Entmachtung der Parlamente und vor Gefahren für den
Föderalismus mit seiner Kulturhoheit für die Länder.
Die Befürworter der Aufnahme von Kultur und Sport als
Staatszielen im Grundgesetz erhoffen sich hingegen von einem
solchen Schritt eine politische Aufwertung dieser Themen, mehr
Unterstützung und speziell beim Sport eine
verfassungsrechtliche Anerkennung der von dieser breiten
gesellschaftlichen Bewegung erbrachten Leistungen und vermittelten
Werte. Professor Ulrich Karpen (Uni Hamburg) wies darauf hin, dass
die Kultur schon heute eine öffentliche Aufgabe sei und auch
ein "dichtes Geflecht" von Bestimmungen im Grundgesetz den Staat zu
deren Förderung anhalte. Für eine eigene
Kulturstaatsklausel spreche lediglich deren
"volkspädagogischer Nutzen". Karpen: "Dieser rhetorische Glanz
entspricht aber nicht dem Stil des Grundgesetzes". Auf diese Weise
würden "Erwartungen geweckt, die niemals zu erfüllen
sind". Bei Entscheidungen über finanzielle Ausgaben für
die Kultur müsse auch weiterhin mit den Erfordernissen anderer
Aufgaben wie etwa der Verteidigung oder dem Straßenbau
abgewogen werden. Ähnlich wie andere Kritiker unter den
Sachverständigen meinte Heinrich A. Wolff, mit der bislang
praktizierten Zurückhaltung bei programmatischen Aussagen im
Grundgesetz sei man in Deutschland gut gefahren. Der Professor von
der Universität in Frankfurt/Oder wandte sich gegen
"verfassungsrechtliche Direktiven" für die Politik. Die
Gesetzgebung dürfe nicht zusehends zum "Verfassungsvollzug"
werden, so werde die Macht der Parlamente reduziert. Mit einer
Verankerung immer neuer Staatsziele im Grundgesetz, so Wolff,
"öffnet man Schleusen": Wenn man Kultur und Sport in die
Verfassung aufnehme, stelle sich die Frage, warum dies nicht auch
für die Sicherung eines Existenzminimums gelten solle. Im
Übrigen könne man Kultur "nicht normativ verordnen".
Christoph Möllers sagte, die "Verstaatlichung der Kultur" sei
kein liberales Projekt. Staatsziele und die damit einhergehende
"Verrechtlichung" und "Verregelung" der Politik stellten immer ein
Problem dar, so der Professor von der Uni Göttingen. Es sei zu
befürchten, dass Gemeinderäte nicht mehr frei entscheiden
können, wie viel Geld sie für ein Theater oder für
Schulen ausgeben wollen. Auch Professor Rupert Scholz hob hervor,
dass das Grundgesetz lediglich ein "ordnungspolitischer Rahmen" sei
und beispielsweise keine Festlegungen über das
Wirtschaftssystem treffe. Trotz der gebotenen Zurückhaltung
bei Staatszielbestimmungen in der Verfassung, so der Professor von
der Uni München, sei eine solche Klausel für die Kultur
angesichts deren überragender gesellschaftlicher Bedeutung
jedoch "nicht sinnwidrig". Professor Friedhelm Hufen erklärte,
durch eine Verankerung im Grundgesetz werde die Kultur aufgewertet
und bei der politischen Auseinandersetzung um Fördermittel
gegenüber anderen Aufgaben gestärkt. Eine Gefahr für
den Föderalismus verneinte Hufen, da sich eine solche Klausel
in der Verfassung an alle staatlichen Ebenen richte. Aus Sicht von
Professor Klaus Stern (Uni Köln) wird durch eine Verankerung
der Kultur im Grundgesetz die Bundesrepublik über den Rechts-
und Sozialstaat hinaus auch als Kulturstaat definiert. Paul Raabe
als Vorsitzender des Vereins "Kulturstadt Wolfenbüttel" sieht
in einer solchen Verfassungsbestimmung ein "Bekenntnis des Staats
zur Kultur" und eine "längst überfällige
Würdigung aller, die sich für den Schutz des kulturellen
Erbes und die Förderung der Kultur einsetzen". Eine
"grundgesetzliche Anerkennung" der positiven Leistungen des Sports
forderte Martin Nolte, Dozent an der Uni Kiel. Diese
"Regelungslücke" im Grundgesetz müsse geschlossen werden.
Ein solches Staatsziel honoriere das Ehrenamt und legitimiere die
Förderung des Sports. In einer schriftlichen Stellungnahme
erklärte Thomas Bach, der Sport habe bereits "die
Qualität eines Grundwertes unserer Verfassung erlangt". Ein
solches Staatsziel führt aus Sicht des Präsidenten des
Deutschen Olympischen Komitees "zu einer Symmetrie zwischen
Ist-Zustand und Verfassung", womit das "Gebot der
Verfassungsredlichkeit" eingelöst werde. Mehrere
Sachverständige lehnten eine Sportklausel im Grundgesetz indes
entschieden ab. Die Verfassung sei nicht dazu da, so Friedhelm
Hufen, die Verdienste von Ehrenamtlichen und Verbänden zu
würdigen. Rupert Scholz meinte, gegen ein solches Staatsziel
spreche schon die schwierige Definition des vielfältigen
Sports, so müsse etwa der Profisport als Gewerbe angesehen
werden.
Berlin: (hib/KOS) Auf Zustimmung, aber auch auf ein erhebliches
Maß an Skepsis und Ablehnung stieß am Montag bei einer
Anhörung des Rechtsausschusses die Verankerung der Kultur und
des Sports als Staatsziele im Grundgesetz, wie dies ein
Gesetzentwurf der FDP-Fraktion fordert (
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http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2007/2007_024/02