Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktortechnik (Anhörung)/
Berlin: (hib/AS) Der frühere Bundesumweltminister Klaus
Töpfer hat vor einem Scheitern der Klimaschutzgespräche
beim bevorstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm gewarnt. Was bei der
G8-Runde nicht erreicht werden kann, wird extrem schwer auf dem
Klimagipfel in Bali erreicht werden können, sagte Töpfer
bei einer Anhörung des Bundestages zum Klimawandel am
Mittwochnachmittag. Sie wurde vom Umweltausschuss gemeinsam mit dem
Ausschuss für Bildung und Forschung sowie dem
Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung
veranstaltet. Gleichzeitig hob der ehemalige Direktor des
Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) hervor, dass es zwar
keinen "sinnvollen Zweifel" am Klimawandel gebe, aber noch immer
eine Reihe offener Fragen. Die Welt befinde sich bereits an der
"Schwelle der Übernutzung", denn bisher habe jeder die
Atmosphäre nutzen können, ohne dafür einen Preis zu
bezahlen. Dabei seien jedoch die G-8 Staaten für 60 Prozent
der CO2-Emissionen verantwortlich, so Töpfer. Er sprach sich
daher dafür aus, gerade die Länder für den
Klimawandel heranzuziehen, die "hauptsächlich dafür
verantwortlich" seien. Auf die immer wieder gestellte Frage, wie
sicher es sei, dass der Mensch die Klimakatastrophe verantworte,
führte der Sachverständige Professor Stefan Rahmsdorf vom
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung verschiedene Beweise
an. So sei unter anderem der Anstieg der CO2-Konzentration um mehr
als ein Drittel sowie eine erhebliche Zunahme der Treibhausgase
eindeutig wissenschaftlich zu belegen. Allein in den letzten 100
Jahren habe es jedoch eine Klimaerwärmung von circa 0,8 Grad
gegeben. Fraglich sei lediglich, wie stark die Rückkoppelung
auf das Klimasystem sei. Als Folge der Erderwärmung nannte er
einen Anstieg der Zahl der Hitzetoten, die Ausbreitung von
Dürren in Europa, insbesondere im Mittelmeerraum,
Überschwemmungen, Hurrikane sowie den Anstieg des
Meeresspiegels. Diese Szenarien hat Professor Gerhard Berz von der
Ludwig-Maximiliams Universität in München seit langem
für Versicherungen untersucht. Bereits seit den 70-er Jahren
des vergangenen Jahrhunderts war der Meteorologe für die
GeoRisikoForschung der Münchner Rückversicherung
tätig. Die Versicherungen seien ein, so Berz, "weltweites
Frühwarnsystem". So wären in den vergangenen 25 Jahren 95
Prozent der durch Wetter verursachten Schäden von so genannten
Wetterextremen verursacht worden. Die Versicherungsschäden
seien dadurch um das 26-fache gestiegen, sagte er. Die
Finanzwirtschaft müsse selbst etwas zum Klimawandel beitragen,
denn Investitionen benötigten langfristige Rahmenbedingungen.
Dabei sei die Kalkulierbarkeit der Risiken eine entscheidende
Grundvoraussetzung für eine Versicherung. Als eine "globale
Herausforderung" bezeichnete auch Jos Delbecke, Direktor der
EU-Kommission bei der Generaldirektion Umwelt den Klimawandel. Er
lobte die Ergebnisse der deutschen Ratspräsidentschaft beim
März-Gipfel dieses Jahres, auf der eine unilaterale
Reduzierung der Treibhausgase in Europa um 20 Prozent beschlossen
worden war. Um die Klimaziele zu erreichen, sei es aber nicht
allein ausreichend, entsprechende Technologien zu entwickeln,
sondern es gehe auch um die Frage, wie diese Technologien
eingesetzt würden. Dabei setze die EU-Kommission in der
Zukunft besonders auf eine Strategie der Energieeffizienz und auf
erneuerbare Energien. Hinsichtlich der Frage der Kernenergie
erklärte Delbecke, dass dies eine "Entscheidung auf der Ebene
der Mitgliedstaaten" sei. Er räumte aber ein, dass global
gehandelt werden müsse. "Wenn Europa alleine handele, wird
nichts passieren", sagte er. Dabei betonte er besonders, dass
gerade auch die Entwicklungsländer in diesen Prozess
einbezogen werden müssten. "Wenn wir kein Regelwerk haben, das
die Entwicklungsländer mit an Bord nimmt, werden wir
versagen", erklärte er. Der Botschafter der Arabischen
Republik Ägypten, Mohamed Al-Orabi, hatte bereits zuvor davor
gewarnt, bei der Klimafrage zwischen armen und reichen Ländern
zu unterscheiden. Als Weltbürger stünden alle der
globalen Erwärmung gegenüber. Gleichzeitig gab er jedoch
zu bedenken, dass die Pro-Kopf-Emissionen in den
Entwicklungsländern momentan noch niedrig seien, aber in
Zukunft noch weiter steigen würden. Sein Land habe sich daher
entschlossen, bis 2020 insgesamt 20 Prozent der Elektrizität
durch erneuerbare Energien zu erzeugen. Dafür bedürfe es
aber eines Technologietransfers aus den Industrieländern. Er
sei der Schlüssel für eine klimafreundliche Entwicklung.
Auch Professor Lutz Wicke von der Technischen Universität
Berlin betonte, dass es für den Klimaschutz der Anstrengung
aller Länder bedürfe. Jeder Mensch besäße das
gleiche Recht auf die Nutzung der Atmosphäre. Als Beitrag dazu
schlug er das System Kyoto-PLUS vor, das eine weltweite
Emissionsbegrenzung mit Hilfe einer Maximalmenge an
Klimazertifikaten vorsieht. Das derzeitige System gaukle einen
Fortschritt lediglich vor. Der Einsatz des Kyoto-PLUS-Systems
hingegen stelle, so Wicke, eine "Blaupause" für einen
deutschen Beitrag zum Klimaschutz dar.
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