Unterschiedliche Bewertungen des Gutachtens über Stasi-Unterlagenbehörde
Berlin: (hib/AW) Das Gutachten über die Stasi-Unterlagenbehörde (BStU) des ehemaligen Verfassungsrichter Hans K. Klein und des Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat, Klaus Schroeder, ist im Kulturausschuss am gestrigen Mittwoch höchst unterschiedlich bewertet worden. Die beiden Gutachter verteidigten sich gegen den Vorwurf aus Reihen der SPD-Fraktion, sie hätten in ihrem Bericht "ungefragt" die rechtliche Konstruktion und die Verfassungsmäßigkeit der BStU in Frage gestellt. Die Gefahr sei groß, dass dadurch die "in der Geschichte einmalige" Behörde, die einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur leiste, beschädigt werde. Hans K. Klein argumentierte, dass die "Irrungen und Wirrungen" in der Behörde zu einem großen Teil auf das "außerordentliche Maß an Unabhängigkeit" der BStU zurückzuführen sei, die man ansonsten nur in der Justiz finde. Unterstützung für die beiden Experten kam von Seiten der CDU/CSU und der Linksfraktion.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hatte das Gutachten, das klären sollte, wie viele ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) in der Stasiunterlagenbehörde beschäftigt sind, Anfang des Jahres in Auftrag gegeben und vergangene Woche dem Kulturausschuss übergeben. Nach Angaben der Gutachter sind derzeit 56 hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi, darunter zwei ehemalige "Informelle Mitarbeiter" (IM), und weitere 400 Personen, die als "systemnah" bezeichnet werden, in der Behörde beschäftigt. Die beiden Gutachter kritisieren in ihrem Bericht, dass die ehemaligen MfS-Mitarbeiter keiner konkreten Einzelfall-Überprüfung unterzogen worden seien.
Schwere Vorwürfe wurden in der Sitzung gegen die BStU von Seiten der CDU/CSU und der Linksfraktion erhoben. Während die Linksfraktion der Behörde vorwarf, sie habe den Bundestag über die Zahl ehemaliger Mitarbeiter des MfS belogen, kritisierte die Union vor allem die Beschäftigung der als "systemnah" eingestuften Mitarbeiter der Behörde. Ihr Vertrauen in die BStU sei "schwer erschüttert". Die Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, bezeichnete die ehemaligen Stasi-Mitarbeiter als "Hypothek" für ihr Haus. Sie verwahrte sich jedoch gegen Pauschal-verdächtigungen, die durch das Gutachten erhoben worden seien. Vor allem der Begriff "systemnah" sei schwierig zu definieren. Schließlich würden alle ehemaligen Angestellten staatlicher Behörden der DDR als "systemnah" bezeichnet. Dies schließe etwa ehemalige Polizisten oder Soldaten der DDR mit ein. Der Begriff gebe jedoch keine Auskunft darüber, wie diese Menschen zum SED-System gestanden hätten. Unterstützt wurde Birthler in dieser Einschätzung von Seiten der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen.
Der Ausschuss für Kultur und Medien wird sich mit dem Gutachten erneut in einer Sondersitzung noch vor oder in der parlamentarischen Sommerpause beschäftigen. Unklar ist bislang, ob zu dieser Sitzung auch der ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) eingeladen werden sollen. Diese Forderung war aus den Reihen der Unionsfraktion erhoben worden.
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