"Schornsteinfeger erhalten Gelegenheit in andere Gewerke einzubrechen"
Berlin: (hib/VOM) Die anstehende Novelle des Schornsteinfegergesetzes wird dem Schornsteinfegerhandwerk Gelegenheit geben, in "andere Gewerke einzubrechen". Diese Auffassung vertrat Michael von Bock und Polach vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZSHK) am Montagvormittag in einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses. Gegenstand der Anhörung war der Regierungsentwurf zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens ( 16/9237). Der Gesetzentwurf geht auf Vorgaben der EU-Kommission zurück, die wegen des bisherigen Schornsteinfegergesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eröffnet hatte. Beanstandet hatte Brüssel darin vor allem, dass die Ausübung des Handwerks auf nur einen Schornsteinfegermeister pro Bezirk beschränkt ist und dieser außerhalb seines Kehrbezirks nicht tätig werden darf. Künftig sollen nun alle Schornsteinfegerarbeiten, die keine Kontrollen beinhalten, im Wettbewerb angeboten werden.
Der Gesetzentwurf legt Übergangsfristen fest, wonach bereits bestellte Bezirksschornsteinfeger bis Ende 2014 in ihrem Bezirk bleiben können, ohne an einer Neuausschreibung teilnehmen zu müssen. Bezirke, die ab 2010 frei werden, sollen bereits nach neuem Recht ausgeschrieben und für sieben Jahre vergeben werden. ZSHK-Vertreter von Bock und Polach nannte diese Übergangsfristen verfassungswidrig. Damit werde die bisherige strikte Trennung von hoheitlichen und privatwirtschaftlichen Aufgaben der Schornsteinfeger ohne Not aufgegeben. Diese gehe über das hinaus, was die EU gerügt habe. Die Übergangsfristen würden so ausgestaltet, dass die Schornsteinfeger staatlichen Schutz genießen, um ein privatwirtschaftliches neues Standbein aufzubauen. Der Vertrauensschutz für die Schornsteinfeger, der zur Begründung der Übergangsfristen herangezogen werde, sei "über diese Distanz kaum erkennbar", so von Bock und Polach. Die Schornsteinfeger stellten sich auf die neue Situation ein und qualifizierten sich etwa in der Energieberatung. Ordnungs- und wettbewerbspolitisch sei das Einbrechen in andere Gewerke nicht in Ordnung, verfassungsrechtlich sei es höchst bedenklich, sagte der ZSHK-Vertreter. Er forderte "faire Entwicklungen", damit nicht "der eine sich selbst kontrolliert und der andere dies nicht darf".
Andere Sachverständige werteten den Regierungsentwurf hingegen positiv. So sagte der Kölner Rechtsanwalt Arthur Waldenberger, bei der alten Regelung habe sich die Europarechtswidrigkeit aufgedrängt. Die Pflicht, im Kehrbezirk ansässig zu sein, hätte EU-Ausländer abgehalten, Schornsteinfegerdienste in Deutschland anbieten zu können. Der vorliegende Gesetzentwurf sei klar und gut austariert. Frank Weber vom Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger sagte im Blick auf die Kritik des Heizungs- und Sanitärhandwerks, die Übergangsfristen bedeuteten keinen Ausschluss des Wettbewerbs. Jedes andere Handwerk könne bei entsprechender Qualifikation Schornsteinfegerdienste anbieten und sich um Kehrbezirke bewerben. Wenn Schornsteinfeger künftig im Sanitär- und Heizungsbereich tätig sein wollten, müssten sie die dortige Meisterprüfung ablegen, um Leistungen anbieten zu können. Es werde nicht so kommen, dass nun alle Kunden ihren Schornsteinfeger wechseln. "Es wird weiterhin preisgünstig von Haus zu Haus gearbeitet werden", sagte Weber. Der Kunde habe aber die Möglichkeit, einen anderen Anbieter zu wählen, wenn er dafür allein 100 Euro für die Anfahrt zahlen wolle. Dass es zu einem Zusammenwachsen des Schornsteinfeger- und Heizungs- und Sanitärhandwerks kommen wird, hielt Weber für unwahrscheinlich. Die Ausbildung und die Tätigkeiten seien "grundverschieden". Die Umlagefinanzierung der Lehrlingsausbildungskasse durch alle Schornsteinfegerbetriebe nannte Weber sinnvoll. Wenn es dazu vom Gesetzgeber keine Regelung gebe, würden die Tarifpartner dies regeln. Hans-Günther Beyerstedt vom Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks sah Probleme, wenn zusätzlich zu hoheitlichen Tätigkeiten weitere Arbeiten zugelassen werden sollten. "Wer wartet, darf nicht prüfen und umgekehrt", so Beyerstedt. Die Existenz der Schornsteinfegerbetriebe müsse gewährleistet werden.
Aus Sicht von Ottmar Wernicke vom Verein "Haus und Grund Württemberg" ist der Gesetzentwurf "verunglückt", weil er ein tradiertes Modell zementiere. Wernicke rechnet wie Stefanie Grether vom Verbraucherzentrale Bundesverband mit deutlichen Preissteigerungen.
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