Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe/
Berlin: (hib/BES) Die Auflagen für den Bau des Ilisu-Staudamms
in der Türkei sind aus Sicht der Bundesregierung nicht
verhandelbar. Internationale Standards auf dem Gebiet der Umwelt,
der Menschenrechte und des Denkmalschutzes müssten eingehalten
werden, sagte eine Vertreterin des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) am
Mittwochabend im Menschenrechtsausschuss. Deutschland ist zusammen
mit Österreich und der Schweiz mit
Exportkreditbürgschaften an dem insgesamt rund 2 Milliarden
Euro teuren Projekt mit 450 Millionen Euro beteiligt. Die
Vereinbarung vom März 2007 ist an 153 Auflagen gebunden,
darunter sozial verträgliche Umsiedlungen, moderne
Kläranlagen und die Errichtung eines "Kulturparks" für
die Monumente der 10.000 Jahre alten Felsenstadt Hasankeyf. Sollte
die Türkei ihre Zusagen nicht erfüllen, hätte dies
ernsthafte Konsequenzen bis hin zum Ausstieg Deutschlands aus dem
Projekt, so das BMZ. Der Ausschuss verlangte Auskunft über den
Stand der Verhandlungen, nachdem eine internationale
Expertenkommission festgestellt hatte, dass die Türkei die
Auflagen ignoriere. Der Staudamm ist ein Prestigeprojekt der
türkischen Regierung. Er soll rund drei Prozent des
Energiebedarfs der Türkei decken. Erste Pläne für
den Bau gab es bereits in den 1960er-Jahren. In den 1980er-Jahren
ist auf dieser Grundlage das so genannte
Südostanatolien-Projekt (GAP) entstanden, das den Bau von
insgesamt 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken umfasst. Das
Programm hat eine starke politische Komponente: Die Projekte sollen
wirtschaftlichen Schwung in die vorwiegend von Kurden besiedelte
Region bringen. Dass der Ilisu-Staudamm aus Sicht der
türkischen Regierung eine enorme politische und
wirtschaftliche Bedeutung für die Region hat, bestätigte
ein Vertreter des Auswärtigen Amtes (AA) in der
Ausschusssitzung. Ankara habe am 27. Mai ein Investitionsprogramm
mit einem Volumen von 12 Milliarden US-Dollar angekündigt,
darin seien auch die Ausgaben für das Ilisu-Projekt enthalten.
Die Tatsache, dass die Türkei sich über die
Vereinbarungen bislang hinwegsetze, machte Union und SPD
"nachdenklich". Die SPD fragte zudem nach dem Problem der
möglichen regionalen Konflikte wegen Wasserknappheit. Alle
Fraktionen erkundigten sich nach Fristen für die Einhaltung
der Auflagen und dem möglichen Ausstieg Deutschlands aus dem
Projekt bei Nichterfüllung. Die Türkei dürfe sich
nicht "durchmogeln", so die FDP, die zudem nach den Auswirkungen
des bisherigen Verhaltens der Türkei auf den angestrebten
EU-Beitritt fragte. Auch die Umsiedlungen und die
Informationspolitik der türkischen Regierung gegenüber
der betroffenen Bevölkerung interessierten die Abgeordneten.
Nach Auskunft des AA seien zwar erste Enteignungen in dem Gebiet
bereits eingeleitet. Doch sei noch niemand umgesiedelt worden.
Zeitungsberichte, wonach 55.000 Menschen umgesiedelt werden
sollten, seien nicht präzise. Diese Zahl umfasse alle
Betroffenen, die etwa Grundstücke auf dem Baugebiet besitzen.
"Physisch" umgesiedelt werden sollten hingegen 11.000 Personen.
Entgegen einigen Medienberichten habe der Bau am eigentlichen
Staudamm noch nicht begonnen. Zurzeit würden lediglich
Vorbereitungsarbeiten wie der Bau von Zufahrtsstraßen
verrichtet. "Energisch verwahrt" hat sich die Bundesregierung gegen
Behauptungen, Arbeitsplätze in Deutschland wären für
die deutsche Beteiligung an dem Ilisu-Projekt entscheidend. Zu den
möglichen Wasserkonflikten in der Region infolge des
Staudammbaus sagte das AA, die Türkei habe ihren Nachbarn
entsprechende Wassergarantien zugesichert. Die internationale
Beteiligung an dem Projekt bezeichnete die Bundesregierung als
Durchbruch. Damit würden entsprechende Standards auch beim Bau
weiterer Staudämme in der Türkei eingeführt. "Wenn
wir dabei sind, ist es für die Betroffenen besser, als wenn
wir nicht dabei wären", so das Fazit des AA.
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