Plädoyer für zügigen Ausbau von Stromtrassen - Konflikt um Erdkabel
Berlin: (hib/KOS) Auf Zustimmung stieß am Montag zum Auftakt einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses die in einem Gesetzentwurf ( 16/10491) verankerte Absicht der Regierung, den Ausbau der Höchstspannungsnetze zu beschleunigen. Nur auf diese Weise lasse sich die Stromerzeugung mit Hilfe erneuerbarer Energien wie der Windkraft spürbar ausweiten, so die Ausschussvorsitzende Edelgard Bulmahn (SPD). Während die Experten an der Vereinfachung der Genehmigungsverfahren etwa durch eine Verkürzung des gerichtlichen Instanzenwegs keine Kritik übten, sorgten die Pläne zur Verlegung von Erdkabeln zum Elektrizitätstransport über weite Strecken für Kontroversen. Vertreter der Wirtschaft sahen das Problem, dass besonders die von der Kabeltechnik verursachten höheren Kosten die stromintensive Industrie finanziell noch stärker belasten würden. Den Beratungen lagen auch Anträge der Linksfraktion ( 16/10842) und der Grünen ( 16/10590) zugrunde.
Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, betonte, dass derzeit Investitionen in Ferntrassen häufig nicht wegen Geldmangels, sondern wegen langer Genehmigungsprozeduren nicht zügig vorankämen. Bislang dauere der Instanzenweg acht bis zwölf Jahre, erläuterte Eberhard Meller vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Albrecht Tiedemann von der Deutschen Energie-Agentur mahnte, der ehrgeizige Ausbau regenerativer Energien könne gefährdet werden, wenn etwa die durch Bürgerproteste immer wieder verzögerte Errichtung einer Fernverbindung zwischen Halle und Schweinfurt nicht rechtzeitig fertig gestellt werde. Meller plädierte dafür, nicht nur Planfeststellungsverfahren, sondern auch das Raumordnungsrecht zu vereinfachen.
Mehrere Sachverständige warnten davor, die der Verlegung von Erdkabeln im Höchstspannungsbereich innewohnenden Probleme zu übersehen. Vorgesehen sind vier Pilotprojekte mit dieser bei der Bevölkerung meist auf eine größere Akzeptanz stoßenden Technik, eines etwa im Thüringer Wald. Wie Kurth warb Professor Bernd Oswald (Uni Hannover) dafür, zunächst einmal Erfahrungen bei den vier Testvorhaben zu sammeln. Kurth wies darauf hin, dass Reparaturen bei Erdkabeln aufwendiger zu bewerkstelligen seien als bei Freileitungen. Für den Konzern Vattenfall sagte Wolfgang Neldner, dass Kabel gegenüber freien Trassen eine geringere Leistungsfähigkeit hätten. Überdies hätten konventionelle Netze eine Lebensdauer von etwa 80 Jahren, Kabel hingegen nur von 30 Jahren. Laut Oswald verringert jeder Schaden die Lebensdauer von Erdkabeln. Auch die Verlegung von Kabeln, so Neldner, bringe tiefe Eingriffe ins Ökosystem des Bodens mit sich. Im Übrigen versuche Vattenfall, bei Freileitungen die Eingriffe in die Landschaft durch ein "ökologisches Schneisenmanagement" zu reduzieren.
Diesen Thesen widersprach Matthias Kirchner von Europacable. Der Einsatz von Kabeln könne wegen der höheren Zustimmung bei den Bürgern den Netzausbau wesentlich beschleunigen. Der Landschaftsverbrauch sei viel geringer als von Neldner behauptet, auch ließen sich nach einer Kabelverlegung die betroffenen Flächen weitgehend rekultivieren. Zudem hätten Kabel eine Lebensdauer von 40 Jahren. Kirchner räumte ein, dass die Herstellungskosten von Freileitungen geringer seien. Doch werde es "Optimierungen" geben. Mittlerweile falle der Kostenvergleich für Kabel günstiger aus. Mit diesen Hinweisen trat Kirchner der Kritik von Carsten Rolle vom Bundesverband der Deutschen Industrie entgegen, aus dessen Sicht Erdkabel "signifikant höhere Kosten" verursachen. Die vier Pilotprojekte dürften nicht zu einem "großflächigen Einstieg in diese Technologie" führen. Heribert Hauck von der Firma Trimet Aluminium forderte, die durch einen Einsatz von Erdkabeln bei Ausbau von Ferntrassen entstehenden Aufwendungen dürften die stromintensive Industrie nicht zusätzlich belasten.
Ralf Bischof vom Bundesverband Windenergie hob hervor, dass Elektrizität aus erneuerbaren Quellen ganz überwiegend in regionale Verteilnetze und nicht in Ferntrassen eingespeist werde. Für die Ausweitung regenerativer Energien wie der Windkraft sei deshalb vorerst der problemlos mit Erdkabeln mögliche Ausbau der Verteilnetze dringlicher als Investitionen in Höchstspannungsleitungen. Professor Lorenz Jarras (University of Applied Science Wiesbaden) kritisierte, die prognostizierten enormen Kapazitäten bei Ferntrassen seien darauf zurückzuführen, dass die Konzerne selbst in Phasen einer Höchstproduktion von Windstrom ihre konventionellen Kraftwerke weiter voll auslasten wollten. Deren Leistung müsse jedoch aus Gründen des Klimaschutzes reduziert werden.
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