Staat und Wirtschaft sollen Grundrechte auch im Ausland beachten
Berlin: (hib/KOS) In Afghanistan dürfe die Bundeswehr festgenommene Talibankämpfer nur dann an die örtliche Polizei überstellen, wenn gründlich geprüft worden sei, dass die Gefangenen keiner Folter und keinen Misshandlungen ausgesetzt sind. Mit dieser Forderung illustrierte Rechtsanwalt Reinhard Marx am Mittwochabend bei einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses zu "extraterritorialen Staatenpflichten" die Verantwortung der deutschen Regierung, auch bei Aktivitäten im Ausland die Standards der UN-Menschenrechtserklärung und der Menschenrechtskonvention des Europarates einzuhalten.
Aus Sicht von Professor Andreas Zimmermann (Uni Kiel) muss die Bundesmarine beim internationalen Einsatz gegen Piratenschiffe vor Somalia verhaftete Verdächtige, die auf deutschen Schiffen festgehalten werden, eigentlich unverzüglich einem Richter vorführen. Dabei seien jedoch "die Besonderheiten der Lage auf See zu berücksichtigen". Brigitte Hamm von der Uni Duisburg/Essen erläuterte, dass die Bundesregierung bei der Ausgestaltung bilateraler Verträge für Investitionsprogramme oder bei der Vergabe von Kreditbürgschaften an international tätige Konzerne darauf dringen könne, in der Dritten Welt Grundrechte zu beachten. So habe das Verbot der Kinderarbeit universelle Geltung.
In ihren Erklärungen vor dem Ausschuss sagten alle Sachverständigen, die neuere wissenschaftliche Diskussion und internationale Instanzen wie der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof gingen mittlerweile davon aus, dass die Respektierung von Menschenrechten auch im Falle von Aktivitäten des Staates und der Wirtschaft im Ausland eingefordert werden könne. Wie Marx rief Hamm jedoch in Erinnerung, dass Regierungen Menschenrechtsnormen ursprünglich nur auf dem eigenen Territorium zu wahren hatten - schließlich gelte das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes. Auch heute noch halte beispielsweise Kanada diesen Grundsatz mit dem Argument hoch, in der Praxis sei eine Ausdehnung exterritorialer Staatenpflichten kaum zu bewältigen.
Professor Eckart Klein (Uni Potsdam) sagte, nach wie vor seien Regierungen primär für die Beachtung von Menschenrechten auf ihrem eigenen Territorium zuständig. Zwar existierten auch bei Aktionen des deutschen Staats im Ausland solche Verpflichtungen, doch könne dort die Durchsetzung der hierzulande geltenden Grundrechte nur in abgeschwächter Weise erfolgen. Bei UN-Friedensmissionen komme es darauf an, ob für eventuelle Menschenrechtsverletzungen eine der Regierungen, die Truppen entsendet, oder die UNO verantwortlich zu machen sei. Klein beklagte, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr bislang verfassungsrechtlich nicht klar geregelt seien.
Für Marx wirft auch die Tätigkeit der EU-Polizeieinheiten im Mittelmeer, die eine illegale Zuwanderung von Flüchtlingen aus Afrika verhindern sollen, kritische Fragen auf. Nach Auffassung des Anwalts sind im Rahmen dieser EU-Maßnahme auch die beteiligten Mitgliedsnationen dafür verantwortlich, dass bei den Aktionen auf See Grundrechte respektiert werden.
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