Rede im
Deutschen Bundestag am 10. März 2005
Debatte
zur Gleichstellung der Geschlechter
Herr
Präsident,
meine sehr
verehrten Damen und Herren,
der
internationale Frauentag 2005 bietet die Möglichkeit, eine
gleichstellungspolitische Halbzeitbilanz zu ziehen und zwar
Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe mit der Strategie
des Gender Mainstreaming.
Seit
Jahrzehnten fordert die Frauenbewegung, dass Frauen sich nicht
zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen, sondern ganz
selbstverständlich wie Männer vereinbaren können.
Was für Frauen in anderen EU-Ländern längst
Realität ist, nämlich eine verlässliche und
umfassende Kinderbetreuung, wie zum Beispiel in Frankreich oder
Schweden, war lange Zeit in Deutschland undenkbar.
Durch unsere
beiden Initiativen, das 4-Milliarden-Euro-Ganztagsschulprogramm und
das Tagesbetreuungsausbaugesetz für unter Dreijährige,
wurde zu meiner großen Freude in meinem konservativen
Schwarzwald ein fruchtbarer Gärungsprozess ausgelöst, der
erste Früchte trägt. Wenn man bedenkt, dass Bildung und
Betreuung originäre Aufgaben der Länder und Kommen sind,
ist es umso erfreulicher, dass es der SPD-geführten
Bundesregierung gelungen ist, diesen gesellschaftlichen Wandel
anzustoßen. Klar war dabei immer, dass wir auf diesem harten
und steinigen Weg vielfältige und zuverlässige Partner
brauchen.
Die
strategische Kooperation zwischen den Beteiligten aus Politik,
Wirtschaft und Gewerkschaft ist zwingend notwendig, um die
Vereinbarkeit zwischen Familie und Arbeitswelt zu verbessern.
Bundesministerin Renate Schmidt hat diesen Ansatz aufgegriffen und
das Projekt „Allianz für Familien“ begründet.
Vor Ort haben sich inzwischen 129 „lokale Bündnisse
für Familien“ entwickelt, der sich 17 Millionen Menschen
angeschlossen haben. Flexible Kinderbetreuung, Angebote zum
beruflichen Wiedereinstieg sind Beispiele für
Aktivitäten, in denen lokale Bündnisse in Zusammenarbeit
mit der Wirtschaft ganz konkret die beruflichen und familiären
Möglichkeiten von Frauen verbessern. Beim
Unternehmenswettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2005“ hat
sich aus meiner Heimat die Firma Bauser für die Endrunde
qualifiziert. Sie freuen sich sicherlich mit mir, dass diese
beispielhafte Unternehmensphilosophie Raum greift.
Ich
wünsche mir sehr, dass es nicht immer heißt, Wirtschaft
zuerst und somit Frauenrechte als Luxus für bessere Zeiten
aufgespart werden, sondern: Und hier schließe ich mich den
Worten von Frau Widmann-Mauz von der CDU, Vorsitzende der Gruppe
der Frauen, ausdrücklich an: „Heute und in Zukunft
werden die Unternehmen in Deutschland - insbesondere angesichts der
demographischen Entwicklung - nicht mehr auf die
überdurchschnittlich gut ausgebildeten Frauen in Deutschland
verzichten können.“
Trotz aller
positiven Entwicklungen ist Deutschland auch in der Arbeitswelt
leider immer noch keine diskriminierungsfreie Zone. Die
Lohnunterschiede sind zum Beispiel immer noch gravierend. Bei
Vollzeiterwerbstätigkeit verdienen Frauen immer noch bis zu 30
Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Mit unserem
Antidiskriminierungsgesetz haben Frauen in Zukunft eine
wirkungsvollere Handhabe gegen Benachteiligungen und
Diskriminierungen in der Arbeitswelt. Die Tarifvertragsparteien,
die Arbeitgeber, Beschäftigten und Betriebsräte sind
gefordert, aktiv eine Antidiskriminierungskultur weiter zu
entwickeln. Wie wichtig dies ist, hat die anspruchsvolle
Anhörung zum Antidiskriminierungsgesetz in dieser Woche mit
ihren wertvollen Anregungen gezeigt.
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