Nachbesserungen bei der Unfallversicherungsreform gefordert
Berlin: (hib/MPI) Arbeitgeber und Gewerkschaften fordern deutliche Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Unfallversicherung ( 16/9154). Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wandten sich in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagmittag gegen das Vorhaben, den Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), unter Fachaufsicht zu stellen. Das Mitglied der BDA-Hauptgeschäftsführung, Alexander Gunkel, sagte, er würde es "sehr begrüßen, wenn auf die Fachaufsicht verzichtet würde". DGB-Expertin Marina Schröder fügte hinzu, die Gewerkschaften unterstützten einen Wegfall. Auch der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Joachim Breuer, betonte, ein Wegfall der Fachaufsicht wäre "einhundertprozentig richtig und richtungweisend". Kern des Regierungsentwurfs des Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes (UVMG), der am Freitag abschließend im Bundestag behandelt werden soll, stellt eine Organisationsreform der 1884 gegründeten Versicherung dar. Auf eine Leistungsreform wurde nach langer Diskussion verzichtet.
Im Blickpunkt der Experten stand auch der neue Überaltlastenausgleich. Mit diesem will die Regierung besonders hohe Belastungen einzelner Branchen aus der Vergangenheit auf alle Branchen umlegen. Ziel ist eine Angleichung der Beitragssätze. Besonders hohe Belastungen sind beispielsweise im Bergbau entstanden. Der Überaltlastenausgleich soll laut Entwurf im Gegensatz zu dem bereits bestehenden Lastenausgleich der Berufsgenossenschaften nicht mehr von der Spitzenorganisation der Berufsgenossenschaften verwaltet werden, sondern vom Bundesversicherungsamt. Im Entwurf ist ein Verteilungsmaßstab von 70 Prozent nach Entgelten und 30 Prozent nach Neurenten festgelegt. Breuer erläuterte, dieser Schlüssel treffe größere Unternehmen im Dienstleistungs-, im Transport- und im Gesundheitswesen. Die BDA sprach sich für eine hälftige Verteilung nach Entgelten und Neurenten aus. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Dienstleistungswirtschaft, Markus Guhl, nannte den Verteilungsschlüssel "sehr unglücklich". Um ihn den Unternehmen in der Dienstleistungsbranche "zu versüßen", müsse die Übergangsfrist verlängert werden. "Sechs Jahre sind sicher besser als drei Jahre", sagte er.
Weiteres Thema der Anhörung war die geplante Reduzierung der Zahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften von 23 auf neun bis Ende 2009. Breuer nannte dieses Ziel "ehrgeizig". Für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) plädierte Marlene Schubert dafür, die Zielgröße von neun Berufsgenossenschaften als Soll- und nicht als Ist-Größe festzuschreiben, um sicherzustellen, dass das Branchenprinzip erhalten bleibt. Alternativ müsse über eine Fristverlängerung nachgedacht werden.
Die BDA wandte sich ferner gegen neue Meldeauflagen der Unternehmen. Die Regierung legt in ihrem Entwurf dar, dass mit dem Übergang des Betriebsprüfdiensts von der Unfall- auf die Rentenversicherung vier neue zusätzliche Angaben zur Unfallversicherung in der Jahresmeldung der Unternehmen notwendig seien. Die Arbeitgeber befürchten einen höheren Bürokratieaufwand und höhere Kosten. Auch der Bundesrat hatte sich bereits gegen die Regelung ausgesprochen, die Arbeitgeber verpflichtet, zukünftig nicht mehr eine Meldung für ihr gesamtes Unternehmen - den Lohnnachweis - abzugeben, sondern für jeden Mitarbeiter eine eigene.
Der Anhörung lagen auch Anträge der Oppositionsfraktionen zugrunde. Die FDP-Fraktion verlangt in ihrem Antrag ( 16/6645), Wettbewerb und teilweise Kapitaldeckung in der gesetzlichen Unfallversicherung einzuführen. Die Fraktion Die Linke wendet sich in ihrem Antrag ( 16/5616) strikt gegen Leistungskürzungen bei der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Grünen fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag ( 16/9312) auf, eine Reform des Leistungsrechts auf den Weg zu bringen, die dazu führen soll, dass sich Leistungsempfänger einerseits und Berufsgenossenschaften und Gutachter andererseits auf Augenhöhe gegenübertreten können. Dazu soll etwa die Informationsmacht der Versicherten durch die Einrichtung eines unabhängigen Beratungsdienstes gestärkt werden.
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