Experten fordern Nachbesserungen bei der "Freien Förderung"
Berlin: (hib/CHE) Die Streichung der "sonstigen weiteren Leistungen" (SWL) und die Einführung einer "Freien Förderung", wie es der Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ( 16/10810) vorsieht, bewerten Experten überwiegend kritisch. In der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag betonte zwar die Mehrheit der geladenen Sachverständigen die Notwendigkeit, arbeitsmarktpolitische Instrumente zu straffen und zu flexibilisieren. Gleichzeitig zeigten sie sich gegenüber dem Instrument der "Freien Förderung" überwiegend skeptisch.
Vor allem die Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände äußerten Zweifel an diesem Plan der Regierung. Das Mittel der "sonstigen weiteren Leistungen" im Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) sieht bisher über die Grundsicherung hinaus individuell angepasste Leistungen vor, um den Einstieg von Hilfsbedürftigen in das Arbeitsleben zu fördern. Dazu gehören unter anderem die Betreuung minderjähriger Kinder oder eine psychosoziale Betreuung. Im Gesetzentwurf der Regierung wird dieses Instrument durch die "Freie Förderung" ersetzt. Diese darf jedoch zwei Prozent der Eingliederungsmittel nicht übersteigen. Aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände sind die SWL für die Kommunen jedoch sehr bedeutend, um sich "aktiv in der Arbeitsmarktpolitik engagieren zu können", betonte deren Vertreterin Regina Offer. "Über die SWL können wir vor Ort Projekte für besondere Zielgruppen wie zum Beispiel für alleinerziehende Mütter oder Jugendliche mit besonderem Integrationsbedarf gezielt steuern", erläuterte Offer. Im nun vorgelegten Entwurf könne sie jedoch noch kein Instrumentarium erkennen, um diese erfolgreichen Projekte fortzusetzen. Eine Beschränkung des Budgets der "Freien Förderung" auf zwei Prozent sei ein Bruchteil dessen, was derzeit für die Projekte ausgegeben werde. "Deshalb ist eine Erhöhung des Anteils auf mindestens 20 Prozent notwendig", forderte Offer. Unterstützt wurde sie darin von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege: "Zwei Prozent kann man nicht wirklich nutzen, um flexibel handeln zu
können", sagte Verbandssprecher Thomas Becker. Wolfgang Müsse von der Aktionsgruppe "Option - Die bessere Alternative. Bringt Menschen in Arbeit" stellte fest: "Wenn man uns die Freie Förderung zusammenstreicht, können wir Menschen nicht mehr individuell fördern." Der Wirtschaftsforscher Bruno Kaltenborn plädierte für ein Budget zwischen fünf und 10 Prozent.
Grundsätzlich stimmten die Experten auch dem Vorhaben zu, das Nachholen eines Hauptschulabschlusses stärker als bisher zu fördern. Als problematisch bewerteten sie jedoch, dass dies im Rahmen von sogenannten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) geschehen solle. Thomas Becker von der freien Wohlfahrtspflege bezeichnete den Rahmen der BvB als "zu starr". Es reiche außerdem nicht aus, nur in 20 Prozent der geförderten Fälle eine Abweichung vom "BvB-Fachkonzept" zuzulassen. Damit erreiche man nicht die Zielgruppe, die man eigentlich ansprechen möchte, sagte Becker. Werner Sondermann von den Kolping-Bildungsunternehmen betonte, die Förderung dürfe nicht auf Berufsvorbereitende Maßnahmen beschränkt sein, sondern müsse darüber hinaus flexibel eingesetzt werden können. Denn die BvB seien mit ihrem "hochkomplexen Stufenförderungssystem mit Eignungsanalyse, Förderstufe und Übergangsqualifizierung bei weitem nicht für alle Jugendliche geeignet".
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