Sachverständige sehen neuen Ausbildungsberuf als Chance
Berlin: (hib/VOM) Der im vergangenen Jahr eingeführte Ausbildungsberuf "Kaufmann/-frau für Tourismus und Freizeit" ist bei den Sachverständigen einer öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses auf positive Resonanz gestoßen. So sah Jens Vojta von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Mittwochnachmittag nicht die Gefahr einer "Zersplitterung" der Ausbildungsberufe, sondern eine Chance. Während es mit anderen Lehrberufen schlechtere Erfahrungen gegeben habe, sei man mit dem Tourismuskaufmann "ganz zufrieden". Das Berufsbild sei entwickelt worden, um in strukturschwachen Regionen betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen. So sei eher ein gewisser "Kannibalismus" zu beobachten, weil ein neues Berufsbild potenzielle Bewerber von anderen Ausbildungsangeboten abziehe.
Konkrete Zahlen nannte Karl Heinz Jesberg als Vertreter der Kultusministerkonferenz der Länder. Eine Umfrage in elf Bundesländern habe ergeben, dass sich im Lehrjahr 2005/06 216 und im laufenden Lehrjahr 360 junge Menschen für diese Ausbildung entschieden haben. So seien in diesem Jahr unter anderem 90 Auszubildende aus Mecklenburg-Vorpommern, 71 aus Bayern, 33 aus Hessen und jeweils 30 aus Thüringen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gemeldet worden. In Nordhessen, Schleswig-Holstein, Berlin, Thüringen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen hätten sich die Berufsschulen sehr positiv über die Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern (IHK) geäußert. Es habe aber auch Regionen gegeben, etwa in Köln und Hamburg, wo die IHK nicht sehr aktiv gewesen sei und die Berufsschulen potenzielle Betriebe angeschrieben hätten, um auf den neuen Ausbildungsberuf aufmerksam zu machen. In manchen Ländern laufe die Ausbildung daher nur sehr schleppend an, und einige Berufsschulen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen hätten erhebliche Probleme, eine Fachklasse zu finden. Vor allem in den Flächenländern hätten die Berufsschulen zum Teil flexible Formen der Unterrichtsversorgung entwickelt, beispielsweise einen 14-tägigen Rhythmus des zweiten Berufsschultages oder verschiedene Varianten des Blockunterrichts, so Jesberg. Nach seiner Auffassung kann der Deutschlandtourismus mit dem neuen Berufsbild wesentlich besser angekurbelt werden als mit dem traditionellen Beruf des Reiseverkehrskaufmanns. Jesberg bedauerte, dass viele Kommunen immer noch lieber Bürokaufleute einstellten, als Kaufleute für Tourismus und Freizeit auszubilden. Auch müssten viele kleine Tourismusbetriebe und Reiseveranstalter noch gezielter auf den neuen Beruf aufmerksam gemacht werden.
Georg Normann von der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern berichtete, in seinem Land würden 7.656 junge Leute in Tourismusberufen ausgebildet. Sie machten damit 17 Prozent aller Auszubildenden aus. Nach Aussage von Armin Brysch von der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) hören viele Betriebe nur durch Zufall von diesem Beruf. Die DZT habe die Landesmarketingorganisationen daher gebeten, mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Ausbildungsplatzzahlen sollten "deutlich nach oben" verändert werden können. Dieter Hahnel vom Ausbildungsnetzwerk Altmark in Sachsen-Anhalt bemängelte, dass Seiteneinsteiger wie Ein-Euro-Jobber oder ABM-Kräfte, ja selbst Schwarzarbeiter Ausbildungs- und Arbeitsplätze blockierten. Der neue Beruf biete aber die Chance, mehr Professionalität zu erreichen und für die im Tourismus Beschäftigten ein besseres Image zu schaffen. Jürgen Heinrich, Geschäftsführer der Touristik und Kontakt (tuk) International GmbH sah den besten Weg zu mehr Ausbildungsplätzen darin, dass eine branchenbezogene Ausbildungsplatzabgabe eingeführt wird, sodass die Unternehmen gleichberechtigt in den Ausbildungsauftrag einbezogen werden können.
Herausgeber
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Uta Martensen
Redaktionsmitglieder: Dr. Bernard Bode, Dr. Susanne Kailitz,
Michael Klein, Dr. Volker Müller, Monika Pilath, Siegfried F.
Wolf
Haben Sie inhaltliche Fragen?
Inhaltliche Fragen richten Sie bitte an die Initiatoren (Fraktionen, Bundesregierung) der jeweiligen parlamentarischen Vorlage. Die Telefonnummer finden Sie auf den entsprechenden Web-Seiten.