Ausschuss für Tourismus/
Berlin: (hib/VOM) Der Klimawandel findet bereits statt, und zwar
unabhängig von der Klimapolitik. Die globale Temperatur werde
um mindestens zwei Grad steigen, sagte Professor Hans von Storch,
Direktor des Instituts für Küstenforschung in Geesthacht
am Mittwochnachmittag im Tourismusausschuss. Der Ausschuss hatte
Sachverständige zu einer öffentlichen Anhörung
über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus
eingeladen. Ein einheitliches Meinungsbild gaben die
Äußerungen der Experten dabei nicht ab. Von "mehr
fliegen" bis zu "weniger fliegen" reichte das Spektrum. Manfred
Stock vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung riet dazu,
den Klimawandel nüchterner und weniger aufgeregt zu
betrachten. Gerade beim Küstenschutz sei Deutschland besser
aufgestellt als andere Länder. Stock bezweifelte, dass man mit
Verboten oder Appellen viel erreichen kann, sondern sprach sich
für marktwirtschaftliche Instrumente aus. Auch Professor Edgar
Kreilkamp von der Universität Lüneburg meinte, dass man
mit Bevormundung nichts erreichen könne. Die Reiseströme
müssten über die Angebote gesteuert werden. Deutschland
brauche attraktive Urlaubsangebote. Dazu gehöre, dass auch der
Bau eines Ferienressorts zugelassen werde. Dies sei
ökologischer als eine Pension. Für die Fahrt zum
Urlaubsort zögen viele das Auto vor, weil sie am Urlaubsort
mobil sein wollten. Kreilkamp regte daher an, die Leute mit der
Bahn anreisen zu lassen und ihnen am Zielort ein Car-Sharing-System
anzubieten, um mobil zu sein. Wolf Michael Iwand, Direktor der TUI
AG für das Konzern-Umweltmanagement, unterstrich, dass jeder
zugleich Opfer und Verursacher des Klimawandels sei. Nicht Verzicht
ist für ihn die Formel, sondern Wachstum. Wachstum sei ohne
Mobilität und Fliegen nicht darstellbar. Auch auf der
Langstrecke seien Flüge unverzichtbar. Die Devise "Sylt statt
Seychellen" sei verantwortungslos, sagte Iwand. Die Politik
müsse die Rahmenbedingungen für das Jahr 2050 setzen und
Mut machen, langfristig zu denken. Die deutsche Tourismuswirtschaft
sei dabei, sie dabei zu unterstützen. Auch Tanja
Wielgoß, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der
deutschen Fluggesellschaften, nannte Mobilität einen
"wesentlichen Wert". Man müsse Mittel und Wege finden, die
nicht dirigistisch sind, um eine Emissionsminderung zu erreichen.
Durch eine effizientere Infrastruktur auf den Flughäfen
könnten bei den Treibhausgasemissionen zwölf Prozent
eingespart werden, sagte Wielgoß. Dietrich Brockhagen,
Geschäftsführer der Atmosfair gGmbH in Bonn, griff das
Stichwort vom "Ablasshandel" positiv auf. Sein Unternehmen biete
an, dass Flugpassagiere freiwillig für die von ihnen
verursachten Klimagase zahlen. Das Geld werde dann in Solar-,
Wasserkraft-, Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert, um so
Treibhausgase einzusparen, die eine vergleichbare Klimawirkung
haben wie die Emission aus dem Flugzeug. Weniger als ein Prozent
der Kunden stornierten die Zahlung. Die technologische Entwicklung
allein werde das Treibhausgasproblem "für Jahrzehnte nicht
lösen", sagte Brockhagen. Stefan Ott vom Arbeitskreis
Freizeit/Sport/ Tourismus des Bundes für Umwelt und
Naturschutz sagte, Flugreisen seien so günstig, dass sie die
Leute anlockten. Wenn man die klimaschädlichen Wirkungen des
Fliegens reduzieren wolle, dann müsse es teurer werden. Als
Sofortmaßnahme empfahl er, die Flugpreise zu erhöhen.
Auf den Einwand, dass Geringverdiener dann keine Flugreisen mehr
machen könnten, sagte Ott, um dies zu ermöglichen,
könnten "andere Wege gefunden werden". Rolf Pfeifer,
Geschäftsführer des Vereins "forum anders reisen",
berichtete, der Verein habe eine Pionierrolle dabei
übernommen, wie nachhaltige Reiseangebote aussehen
könnten. Seiner Auffassung nach darf nicht außer Acht
gelassen werden, was die Touristen am Zielort tun. So wandte er
sich gegen Formen des Fernreisetourismus, bei denen die Reisenden
keine Begegnung mit der Bevölkerung und deren Kultur haben.
Pfeifer plädierte ferner dafür, Wettbewerbsverzerrungen
zwischen Bahn, Bus und Flugzeug aufzuheben und das Fliegen zu
verteuern.
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