Kritik an Informationspolitik im Fall Khafagy
Berlin: (hib/KOS) Harte Kritik an der Informationspolitik deutscher Behörden und der Bundesregierung im Fall des in München lebenden Ägypters Abdel Halim Khafagy übte am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss zum Auftakt der Zeugenvernehmungen dessen Anwalt Walter Lechner. Bis heute wüssten er und Khafagy immer noch nicht genau Bescheid über die näheren Umstände der Verhaftung und Misshandlung des damals 69jährigen Ende September 2001 in Bosnien-Herzegowina, als der Buchverleger offenbar irrtümlich unter Terrorverdacht geraten war. Immer noch sei unklar, so Lechner, wer die Täter seien, wer die Verantwortung für den Vorfall übernehme und wer sich bei Khafagy für dieses Vorgehen zu entschuldigen habe. Der Ausschuss prüft, ob deutsche Stellen und die Regierung in die mutmaßlich von US-Diensten organisierte Festnahme des Ägypters involviert waren, der auf dem Umweg einer Überstellung nach Kairo vier Wochen später wieder nach München zurückkehren konnte. Mitarbeiter des Bundeskriminalamts und des Bundesnachrichtendienstes hatten eine Vernehmung des Inhaftierten in dem bosnischen US-Camp "Eagle Base" abgelehnt, nachdem sie von Folterpraktiken in dem Lager erfahren hatten und ihnen von US-Seite blutverschmierte Unterlagen Khafagys übergeben worden waren.
Der Zeuge beschrieb Khafagy bei dessen Ankunft an der Isar als einen Mann, der ein "Bild des Jammers" geboten habe und am Kopf von einer verkrusteten Wunde gezeichnet gewesen sei. Der Münchner sei nach dessen Berichten bei seiner nächtlichen Festnahme in einem Hotel von Sarajewo, die SPD-Obmann Michael Hartmann als "sehr unappetitlich" bezeichnete, von "Kapuzenmännern" mit Gewehrkolben am Kopf geschlagen und dann in ein Lager in einen Raum ohne Fenster gebracht worden. Lechner schilderte den Abgeordneten, wie er Ende September 2001 in zahllosen Telefonaten mit deutschen Sicherheitsbehörden und mit Vertretern der internationalen Truppe SFOR in Bosnien vergeblich versucht habe, konkrete Informationen über das Schicksal Khafagys nach dessen Verhaftung zu erfahren. Deutsche SFOR-Angehörige hätten ihm bedeutet, die Deutschen hätten dort gegenüber den USA "nichts zu melden".
Durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses auf die Problematik von Verschleppungen aufmerksam geworden, habe er sich von Herbst 2006 an erneut um nähere Aufklärung zum Fall Khafagy bei hiesigen Behörden bis hinauf zum Bundeskanzleramt bemüht, doch sei nicht mehr als ein "fruchtloser Schriftverkehr" herausgekommen. Der Anwalt erwähnte ein Schreiben der Bundesanwaltschaft an ihn, wonach diese Behörde schon unmittelbar nach der Festnahme Khafagys die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens geprüft, mangels Anfangsverdacht aber abgelehnt habe. Norman Paech (Linkspartei) sagte, das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sei über die Verhaftung schon einen Tag später unterrichtet gewesen.
"Offenbar wissen viele Leute vieles", sagte der Zeuge. Zur Begründung verwies Lechner auch auf die Ablehnung der zwischenzeitlich von Khafagy beantragten und abgelehnten Einbürgerung: Nach Angaben von dessen Familie seien dem Ägypter während des Anerkennungsverfahrens auch Unterlagen vorgehalten worden, die ihm in Bosnien abgenommen worden seien. Hartmann zitierte hingegen aus einem Dokument, wonach der Einbürgerungsantrag unter anderem wegen Khafagys Kontakten zur Moslembruderschaft zurückgewiesen wurde. Laut dem SPD-Parlamentarier hatte Kairo die Auslieferung ihres Staatsbürgers nach dessen Festnahme in Bosnien beantragt. Vor seiner Übersiedlung nach München hatte Khafagy einst in Ägypten eine mehrjährige Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in der Moslembruderschaft verbüßt.
Für Verwunderung im Ausschuss sorgte Lechners Hinweis, dass seine Akte über den Fall Khafagy aus der Zeit Ende 2001 verschwunden sei, was ihn "grün und blau ärgere". Von dem Zeugen wollte der FDP-Abgeordnete Hellmut Königshaus wissen, ob es Anzeichen für ein Entwenden der Papiere aus seiner Kanzlei durch Geheimdienste gebe. Anhaltspunkte für einen solchen Verdacht habe er nicht, so der Anwalt.
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