Streit über "mittelbare" Mitwirkung des BND am Irak-Krieg
Berlin: (hib/KOS) Während des Irak-Kriegs im Frühjahr 2003 hat der BND keine Erkenntnisse aus Bagdad an das US-Hauptquartier in Katar geliefert, die unmittelbar der offensiven Kriegführung der USA hätten dienen können. Diese Überzeugung vertraten am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss übereinstimmend Ernst Uhrlau, seinerzeit Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt und heute BND-Präsident, sowie August Hanning, damals Chef in Pullach und jetzt Innenstaatssekretär. Die SPD sah sich durch diese Aussagen in ihrer Auffassung bestätigt, die einstige Bundesregierung habe gemäß ihrer politischen Linie nicht am Irak-Feldzug mitgewirkt. Die drei Oppositionsfraktionen und auch die Union kritisierten hingegen, der BND habe sich durch im weiteren Sinne militärisch nutzbare Informationen wie auch durch einzelne direkt kriegsrelevante Meldungen zumindest mittelbar am Vorgehen der USA beteiligt. Der Ausschuss prüft, ob der Geheimdiensteinsatz in Bagdad der offiziellen Haltung der Regierung widersprach, Deutschland mache beim Irak-Krieg nicht mit.
Laut Uhrlau wurde es im Kanzleramt auch ohne schriftliche Weisung "wie selbstverständlich" diskutiert, dass die den USA übermittelten Informationen, die in Pullach unter den von zwei Agenten aus Bagdad gemeldeten Nachrichten ausgewählt wurden, keine taktisch-operative Unterstützung von Luftangriffen oder von Bodentruppeneinsätzen darstellen dürfen. Es sei Aufgabe des BND gewesen, dieser Richtlinie Rechnung zu tragen, so der Zeuge. Es habe damals keine Hinweise gegeben, dass diese Vorgabe nicht beachtet werde, weswegen er keine Kontrollmaßnahmen angeordnet habe. Wie Hanning erklärte Uhrlau, die BND-Erkenntnisse seien in erster Linie zur Erstellung militärischer Lagebilder für die deutsche Regierung auf der Basis eigenständiger Recherchen herangezogen worden.
Aus Sicht Hannings blieb der Informationsaustausch mit den US-Diensten, der ein "Balanceakt" gewesen sei, ebenso "unterhalb der Kriegsschwelle" wie etwa die Gewährung von Überflugrechten für die USA oder die Aufklärungsflüge der Bundeswehr über der Türkei. Im BND, so dessen Ex-Chef, sei den "entscheidenden Leuten" klar gewesen, dass "keine kriegsrelevanten Informationen" nach Katar geschickt werden dürfen. Im Einzelnen kontrolliert hat dies Hanning nach seinen Worten nicht, dies sei Sache vor allem des mit dieser Aufgabe betrauten Verantwortlichen auf der Fachebene gewesen. Der Zeuge räumte indes ein, vom seinerzeitigen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier die Zustimmung zur "heiklen" Übermittlung präziser Daten von zivilen "non targets" (nicht anzugreifenden Zielen) an die US-Armee eingeholt zu haben. Hanning zu diesem kritischen Aspekt: "Wenn Sie sagen, dieses Hotel darf nicht angegriffen werden, dann ist das keine gute Nachricht für andere Hotels" Zu den vom BND nach Katar gemeldeten Standorten eines Offiziersclubs in Bagdad und von Einheiten der Republikanischen Garden Saddam Husseins sagte Hanning, die militärische Bedeutung dieser Informationen könne er nicht beurteilen. Man komme "in schwierige Gewässer", wenn eine indirekte Kriegsbeteiligung in einem weiten Sinne definiert werde. Entscheidend sei vielmehr, dass die BND-Erkenntnisse von den USA nicht taktisch-operativ hätten genutzt werden können.
Aus Sicht von SPD-Obmann Michael Hartmann stützt die Zeugenvernehmung die These, dass im Irak aufgrund deutscher Meldungen "kein Schuss abgefeuert wurde und keine Bombe fiel." CDU-Obfrau Kristina Köhler bezweifelte jedoch, dass die im Wahlkampf 2002 bedeutsame Aussage des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder noch aufrechterhalten werden könne, die Bundesrepublik beteilige sich weder direkt noch indirekt am Irak-Krieg. "Bei der früheren Regierung fielen Reden und Handeln auseinander", kritisierte der FDP-Abgeordnete Max Stadler, Hannings Befragung belege eine mittelbare Mitwirkung am Krieg. Norman Paech (Die Linke) erklärte, der BND habe nur wenige "non targets", hingegen viele für die USA militärisch wichtige Erkenntnisse nach Katar weitergeleitet. Hans-Christian Ströbele (Bündnis90/Die Grünen) monierte, in Pullach sei nicht ausreichend kontrolliert worden, ob die Weisungen zur Informationsübermittlung an die US-Armee auch beachtet wurden.
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