Glück verlangt "überzeugendere Antworten" der
CSU
Interview für "DAS PARLAMENT"
Vorabmeldung für die nächste Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 28. Juli 2008)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
Glück verlangt
„überzeugendere Antworten“ der CSU
Landtagspräsident: Im Wahlkampf fehlt dominantes
Thema
Der bayerische Landtagspräsident Alois Glück hat seine Partei aufgerufen, „überzeugendere Antworten“ für die Probleme in der Arbeitswelt zu finden und Themenarmut im bayerischen Landtagswahlkampf beklagt. Glück sagte in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 28. Juli 2008), die CSU werde sich in der von ihm geleiteten Grundsatzkommission bald intensiv mit der künftigen Entwicklung der Arbeitswelt auseinandersetzen. „Richtig ist, dass wir überzeugendere Konzepte und Antworten, als sie gegenwärtig in der Politik gehandelt werden, noch finden müssen.“ Einen Mindestlohn lehnte Glück weiter ab: „Was wir brauchen, ist der weitere Ausbau von Einkommenskombinationen.“
Auf die Frage nach großen Reizthemen im bayerischen Landstagswahlkampf sagte Glück: „In der Tat haben wir gegenwärtig die Situation, dass ein dominantes Thema fehlt, das Aufmerksamkeit und Kräfte bündelt.“ Auf keinen Fall könne man aber irgendwelche Themen künstlich schaffen, denn das wäre in den Augen der Wähler „nur Taktik“, warnte Glück.
Zu seiner eigenen Partei sagte Glück, die CSU habe wieder Tritt gefasst. Das Thema Kommunalwahlen sei überwunden. Das Ergebnis dieser Wahlen sei in der CSU selbst schlechter geredet worden, als es in Wirklichkeit gewesen sei. Es müsse aber beachtet werden, dass es in der Gesellschaft tiefgreifende Veränderungen gebe. „Prägende Milieus lösen sich auf und Bindewirkungen gehen verloren. Dieser Trend verändert auch die Parteienlandschaft“, so Glück. Daher werde es auch für die CSU immer schwieriger, „die 50 Prozent plus X unter ihrem Dach zu versammeln“.
Das Interview mit Alois Glück im
Wortlaut:
Transrapid weg, Milliarden-Löcher bei der Bayern-LB
und empfindliche Verluste bei den Kommunalwahlen: Kann die CSU mit
solchen Bilanzen Wahlen gewinnen?
Die Bilanz der CSU
ist: niedrigste Arbeitslosigkeit und größtes
Wirtschaftswachstum Deutschlands. Das heißt, die Gesamtbilanz
ist deutlich positiv und nicht geprägt von einigen
Problemfeldern. Anstelle der Mittel für den Transrapid ist ein
Forschungs- und Technologieprogramm "BayernFIT" verabschiedet
worden, das mehr Impulse bringen wird als der Transrapid. Das Thema
Kommunalwahlen ist überwunden. Wir haben das Ergebnis nur
schlechter geredet, als es war. Die CSU hat Tritt gefasst. Das hat
sich besonders auch beim Parteitag in Nürnberg gezeigt.
Den Volksparteien laufen die Wähler davon, sogar
die CSU muss um ihre magischen 50 Prozent plus X zittern. Warum
verlieren die Großen ihre
Bindewirkung?
Innerhalb der Gesellschaft haben wir
eine tiefgreifende Veränderung hin zu immer mehr
Differenzierung und auch immer mehr Gruppeninteressen.
Prägende Milieus lösen sich auf und Bindewirkungen gehen
generell verloren. Dieser Trend verändert auch die
Parteienlandschaft.
Der Stammtisch mit seiner Lufthoheit war immer ein
Kraftquell der CSU. Jetzt haben Sie ihm das Rauchen verboten und
für Aufruhr gesorgt. War das sinnvoll?
Ich hab'
noch kein Thema erlebt, das derart polarisierend begleitet wird wie
der Nichtraucherschutz Es geht hier letztlich um den
Gesundheitsschutz. Natürlich kann man immer darüber
streiten, in welcher Perfektion es Regelungen braucht. Aber es gibt
keine Regelung, die ein Einvernehmen finden würde. Mit einem
gewissen Konfliktpotential müssen wir hier leben.
Stänkern gegen Berlin war immer ein Erfolgsrezept
der CSU. Doch wie glaubhaft ist die CSU, wenn sie jetzt gegen die
Kürzung der Pendlerpauschale kämpft, die sie selbst
mitbeschlossen hat. Oder gegen die
Gesundheitsreform.
Es geht nicht um Stänkern aus
wahltaktischen Gründen, sondern die Rahmenbedingungen haben
sich verändert. Wir haben eine Entwicklung bei Fahrtkosten und
Energiepreisen, dass der Staat darauf reagieren muss. Die CSU hat
mit einem Steuerkonzept alle anderen Parteien in Zugzwang gebracht.
Beim Gesundheitsfonds geht's nicht um eine grundsätzliche
Ablehnung der jetzigen Reform. Wir wehren uns aber entschieden
gegen eine Umverteilung zu Lasten Bayerns. Hier sind wir auf einem
erfolgversprechenden Weg.
Wo bleiben die großen Zukunftsthemen, wo die
klassischen Reizthemen? Koch führte in Hessen Wahlkampf mit
dem Thema „Kriminelle ausländische
Jugendliche“
Was dann ein Bumerang wurde. In
der Tat haben wir gegenwärtig die Situation, dass ein
dominantes Thema fehlt, das Aufmerksamkeit und Kräfte
bündelt. Auf keinen Fall kann man aber irgendwelche Themen
künstlich schaffen, denn das wäre dann in den Augen der
Wähler nur Taktik.
Soziale Gerechtigkeit war der CSU immer wichtig. Papst
Leo XIII. hat in der Enzyklika „rerum novarum“
gerechten Lohn für Arbeit gefordert. Ihr Wirtschaftsminister
ist gegen einen Mindestlohn. Passt das zum „S“ im
Parteinamen?
Der Mindestlohn ist keine sachgerechte
Lösung mehr. Er bringt nicht mehr Arbeit, sondern er vertreibt
Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich. Zunächst müssen
wir von der Realität ausgehen, dass es in der modernen
Arbeitswelt leider eine eher wachsende Zahl von Arbeitsplätzen
gibt, in denen die Wertschöpfung so gering ist, dass kein Lohn
bezahlt werden kann, von dem man entsprechend leben kann. Wenn man
das erzwingen will, treibt man diese Arbeit entweder in die
Illegalität, in die Schwarzarbeit, oder sie wird, wo es geht,
ins Ausland verlagert. Was wir brauchen, ist der weitere Ausbau von
Einkommenskombinationen. Die CSU wird sich in der
Grundsatzkommission bald intensiv mit der künftigen
Entwicklung in der Arbeitswelt auseinandersetzen. Richtig ist, dass
wir überzeugendere Konzepte und Antworten, als sie
gegenwärtig in der Politik gehandelt werden, noch finden
müssen
War der Verkauf von bayerischen Staatsfirmen richtig?
Oder hat der Staat nicht die Pflicht, Unternehmen der
Daseinsvorsorsorge selbst zu betreiben?
Der
Staat muss die verschiedenen Einrichtungen der Infrastruktur nicht
selbst betreiben. Aber in so wichtigen Feldern wie Gesundheit,
Verkehr, Wasser und anderem muss der Staat die Kontrolle behalten
über die Bedingungen, zu denen diese Dienstleistungen erbracht
werden. Er muss die Standards sichern, aber er muss nicht alles
selbst tun. Für Bayern hat der Verkauf der Staatsbeteiligungen
ermöglicht, dass wir in den 90-er Jahren mit der Offensive
Zukunft den Freistaat in eine Spitzenposition gebracht haben. Das
hat für Bayerns Entwicklung mehr gebracht, als wenn wir weiter
Teilhaber in diesen Unternehmen wären.
Wo bleibt das konservative Element im Parteiprofil? Und
kommt die CSU ohne zugkräftige Leitfigur wie Stoiber
aus?
Wir haben auch in Bayern eine größere
Vielfalt bei Lebensstil und Wertvorstellungen. Dadurch wird es auch
für die CSU immer schwieriger, die 50 Prozent plus X unter
ihrem Dach zu versammeln. Wir haben aber die große
Stärke, dass wir keine Richtungskämpfe in der CSU haben,
dass Personalwechsel nicht mit Richtungswechsel verbunden sind und
dass bei uns die ganze Bandbreite, die in der Volkspartei
beheimatet ist, auch durch Personen verkörpert werden kann.
Günther Beckstein ist als Innenminister bundesweit ein
Markenbegriff für Sicherheit und Stabilität geworden. Der
CSU wird es nach wie vor gut gelingen, diese Kombination von
Dynamik und Stabilität miteinander zu verbinden.
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