"Große Aufgabe und tiefe Einblicke"
Welche Rolle spielten Agenten des Bundesnachrichtendienstes während des Irak-Krieges? Eine der zentralen Fragen, mit denen sich der so genannte BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages intensiv zu beschäftigen hatte. Nach mehr als dreijähriger Arbeit, die der Vorsitzende des elfköpfigen Gremiums, Siegfried Kauder (CDU/CSU), als eine „Herkules-Aufgabe“ bezeichnete, hat nun das Parlament am Donnerstag, 2. Juli 2009, den 1.300 Seiten langen Abschlussbericht beraten. Die Fraktionen kamen dabei zu ganz unterschiedlichen Bewertungen der darin aufgeführten Ergebnisse.
Siegfried Kauder resümierte als erster Redner der Debatte im
Plenum die Arbeit des Untersuchungsausschuss als „große
Aufgabe“ und lobte, das Gremium habe „tiefe
Einblicke“ erlangen können. Dennoch fand der Vorsitzende
des BND-Untersuchungsausschusses auch kritische Worte: „Kann
man seine Arbeit nicht effizienter gestalten? Braucht es
tatsächlich 1.300 Seiten?“, fragte Kauder und meinte
damit den Umfang des nun vorliegenden Abschlussberichtes (
16/13400).
„Ausschussarbeit muss effizienter werden“
Kauder plädierte dafür, die innere Organisation zu überdenken: So sollten seiner Ansicht nach Redezeiten im Ausschuss flexibler gestaltet und dem Gremium schon bei der Einsetzung ein Zeitrahmen gegeben werden, innerhalb dessen der Bericht vorgelegt werden müsse.
Das erzeuge den notwendigen „Druck“, zügiger zu
arbeiten – oder wenn die Arbeit zu umfangreich sei, um
innerhalb dieses „Zeitfensters“ abgeschlossen zu
werden, einen Zwischenbericht vorzulegen, so der
Unionsabgeordnete.
„Rechtsstaatliche Prinzipien sind massiv verletzt
worden“
Auch Dr. Max Stadler, Obmann der FDP im Untersuchungsausschuss, kam zu einem positiven Fazit der Ausschussarbeit: „Sie war notwendig und erfolgreich.“ Das Gremium sei zu dem klaren Ergebnis gekommen, dass „nach dem 11. September 2001 leider auch in Deutschland rechtsstaatliche Grundsätze massiv verletzt worden sind.“
So seien nicht nur Journalisten bespitzelt worden, so der liberale
Innen- und Rechtsexperte, der Bundesnachrichtendienst (BND) habe
auch Informationen in der irakischen Hauptstadt Bagdad gewonnen und
an die USA übermittelt.
Besonders kritisierte Stadler das Verhalten der rot-grünen
Bundesregierung im Fall des im US-Gefangenenlagers
Guantánamo inhaftierten Deutsch-Türken Murat Kurnaz:
Sie habe sich nicht einmal um seine Freilassung bemüht.
„Es reicht nicht, sich gegen Guantánamo auszusprechen,
auch das Handeln muss an rechtsstaatlichen Prinzipien gemessen
werden.“
„Regierung hat immer die Menschenrechte
gewahrt“
Dem hielt Michael Hartmann (SPD) entgegen, es habe nie ein Freilassungsangebot der Amerikaner für Murat Kurnaz gegeben. Gegen Guantánamo habe die Bundesregierung aber immer wieder interveniert, das belegten Briefe und Stellungnahmen aus dem Auswärtigen Amt eindeutig.
Die Bundesregierung habe „immer die Menschenrechte
gewahrt“ – und das obwohl die Lage nach den
Anschlägen vom 11. September, die ihren Ausgangspunkt in
Deutschland gehabt hätten, äußerst angespannt
gewesen sei und es eine Reihe von Verdachtsmomenten gegen Kurnaz
gegeben habe.
„Nichts rechtfertigt, was ihm in Guantánamo
widerfahren ist, aber es war richtig, ihn im Auge zu
behalten“, sagte der stellvertretende innenpolitische
Sprecher der SPD und ihr Obmann im Untersuchungsausschuss. Die
Vorwürfe, Erkenntnisse deutscher Agenten seien zur
„taktischen und operativen Kriegsführung“ der USA
genutzt worden, wies er als „absurd und grotesk“
zurück.
„Rechstaatliche Prinzipien der Bündnistreue
geopfert“
Das sah Prof. Dr. Norman Paech (Die Linke) jedoch anders: Aus „falsch verstandener Bündnistreue“ hätten deutsche Behörden dem US-amerikanischen Geheimdienst CIA etwa „pauschal Überflugrechte eingeräumt“, sensible Personendaten weitergegeben und durch ihr „Wegsehen Beihilfe zur illegalen Verschleppungspraxis der Amerikaner“ geleistet. Im Laufe der Vernehmungen im Untersuchungsausschuss habe sich eine „erschreckende Erosion rechtsstaatlichen Denkens“ offenbart, resümierte der Obmann der Linksfraktion.
Für diese „Verfehlungen“ machte er insbesondere
den früheren Kanzleramtschef und heutigen
Bundesaußenminister und SPD-Kanzlerkandidaten Dr.
Frank-Walter Steinmeier verantwortlich. „Das ist keine
Empfehlung für höhere Regierungsverantwortung“,
sagte Paech.
„Verpflichtung gegenüber Parlament nicht
nachgekommen“
Auch für Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) steht außer Frage, dass der BND mit seinen Informationen zur US-amerikanische Kriegsführung beigetragen hat: „Mir tut das leid, ich sehe einen Widerspruch zu der Politik, die auch ich damals unterstützt habe“, sagte der Rechtsexperte der Grünen. Die Bundesregierung habe die „schwere Situation“ damals nicht gemeistert und Verantwortung auf sich geladen.
Besonders kritisierte Ströbele auch das Verhalten der
rot-grünen Regierung sowie der derzeitigen Großen
Koalition im Umgang mit dem parlamentarischen Kontrollgremium.
„Wenn der Bundestag bei wichtigen Vorgängen nicht
informiert wird, können wir uns das Gremium sparen“, so
Ströbele.