Ein neues Arzneimittel zu kreieren ist teuer. Forschung und Entwicklung verschlingen Millionen, oft dauert es Jahre, bis ein Präparat den Weg in die Apotheke findet. Als "Entschädigung" darf der Hersteller seinen Wirkstoff 20 Jahre lang exklusiv vermarkten, ungestört von lästiger Konkurrenz.
Nach Ablauf der Schutzfrist kann sich die Arznei dem Wettbewerb nicht mehr entziehen: Dann drängen Pharmakonzerne mit Kopien von Medikamenten, so genannten Generika, auf den heiß umkämpften Arzneimittelmarkt. In Deutschland gibt es Dutzende von Firmen, die sich allein auf die Herstellung solcher Nachahmerpräparate spezialisiert haben: Mittel gegen Kopfschmerzen und Rheuma, gegen Herzrhythmusstörungen und Asthma, für Krebspatienten und Diabetiker. In Deutschland könnten fast zwei Drittel aller chronischen Volkskrankheiten ausschließlich mit Generika behandelt werden.
Entsprechend groß sind die Hoffnungen, die sich mit ihnen verbinden. Durch den Einsatz der Nachahmerpräparate, sagt etwa Hermann Hofmann von Fachverband Pro Generika, könnten die Ausgabenprobleme im Gesundheitswesen "deutlich entschärft" werden. "Allein im Jahr 2005 haben die Gesetzlichen Krankenkassen mit Generika 3,4 Milliarden Euro gespart, weil sie im Schnitt um 35 Prozent billiger sind als die Originalpräparate", so Hofmann. Wenn endlich alle Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft würden, könnten sogar noch 1,1 Milliarden Euro dazu kommen.
Im Gesundheitsministerium hat man dieses Potenzial inzwischen ebenfalls erkannt. Im Mai 2006 trat das Gesetz für mehr Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) in Kraft, das es den Krankenkassen seither erlaubt, bestimmte Generika von der Zuzahlung zu befreien. Bedingung: Die Hersteller müssen ihre Preise um mindestens 30 Prozent senken. "Durch die Zuzahlungsbefreiung", verspricht man sich nun im Ministerium, "wird die Nachfrage nach günstigen Generika auch von der Patientenseite aus steigen." Tatsächlich wurden schon in den ersten Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes die Preise für rund 80 Wirkstoffgruppen erheblich gesenkt. Immer wieder kommen neue Wirkstoffe auf die Liste. "Unter anderem durch diese Maßnahmen", sagt auch Hofmann, "entsteht ein zusätzliches Einsparpotenzial von noch mal mehr als 500 Millionen Euro."
Noch immer würden diese Einsparmöglichkeiten nicht ausreichend genutzt. Gerade regional gesehen, sagt Hofmann, gebe es starke Unterschiede in der Verordnung. "Bei einer Ärztebefragung im ersten Quartal des Jahres hat sich herausgestellt, dass der Wissenstand der Ärzte über Generika verbesserungswürdig ist. Die Ärzte werden von ihren Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen einfach nicht gut genug informiert über Patentabläufe und neue Generika am Markt." Die Folge: Die Ärzte verschreiben noch immer zu viele teure Originalpräparate, obwohl es längst ein Generikum zu kaufen gibt.
Viele Kassenärztliche Vereinigungen (KV) gehen das Problem inzwischen offensiv an. Sie informieren die Ärzte bundesweit und vierteljährlich über ihr Verordnungsverhalten und konfrontieren sie dabei auch mit den Vergleichszahlen anderer Ärzte. Wer unter dem Durchschnitt liegt und zu wenige Generika verordnet, bekommt einen entsprechenden Hinweis. Die KV Hessen hat sich darüber hinaus durch gezielte Schulungsveranstaltungen, Rundschreiben und so genannte "Arzneizirkel" für Hausärzte im Bund zu der KV mit dem höchsten Anteil an Generikaverordnungen gemausert - er liegt in Hessen bei 78,9 Prozent, im Bundesdurchschnitt bei knapp 76 Prozent. Im europäischen Vergleich ist beides Spitze.
Eine Prämisse gilt für die Ärztevereinigung jedoch trotz ihrer Bemühungen um mehr Wirtschaftlichkeit weiter, betont Wolfgang LangHeinrich, Leiter der Abteilung Pharmakotherapie bei der hessischen KV. "Die Therapie darf in ihrer Qualität nicht aus Spargründen reduziert oder verschlechtert werden", mahnt er, "Einsparungen sind nur möglich, wenn preisgünstige Alternativen da sind, die aber qualitativ genauso gut sein müssen."
Im Übrigen, sagt er, würden die Kosten senkenden Effekte der Generika jedoch "weit überschätzt". "Natürlich fällt die Verordnung eines teureren Originalpräparates weg, wenn ein Generikum verordnet wird", so LangHeinrich. "Man muss aber auch ganz klar sagen, dass das Einsparvolumen nicht so groß ist, wie das immer gesagt wird."
Das Generikum - also doch nicht die Sparwunderwaffe, als die es Hofmann und sein Pro Generika-Verband vehement ausgeben? Nein, sagt der KV-Vertreter: "Die Arzneimittelkosten, die sich in den letzten Jahren galoppierend nach oben entwickelt haben, sind doch nicht in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Ärzte unwirtschaftlich verordnen. Der Grund ist vielmehr die unwahrscheinlich hochpotente Entwicklung von neuen Therapieformen, etwa bei Krebs, Multipler Sklerose oder Hepatitis. Das kostet das wirkliche Geld und zwingt die Kassen Jahr für Jahr zu höheren Ausgaben, die allein durch ein Mehr an Generika nicht auszugleichen sind."