Manchmal steckt der Teufel im Detail. Die
beiden arabischen Wörter "iltasama" und "ihtarama" haben zwar
viele Buchstaben gemeinsam. Dennoch hat der kleine Unterschied bei
den Verhandlungen zwischen der Fatah-Partei und der Hamas in Mekka
für heiße Diskussionen gesorgt. Würde die Hamas
alle bestehenden Verträge zwischen der PLO und den Israelis
nun "anerkennen" (iltasama) oder aber "respektieren" (ihtarama)?
Der Unterschied ist dabei keineswegs theoretischer Natur. Es ist
nämlich durchaus möglich, etwas zu respektieren ohne es
sich zu eigen zu machen.
Ein durchwachsenes Ergebnis
Nicht nur in diesem Punkt hat Palästinenserpräsident
Mahmud Abbas in Mekka nachgeben müssen: die Abkommen zwischen
Israel und der PLO wird die Hamas innerhalb der Einheitsregierung
eben nur "respektieren", von einer Anerkennung Israels ist keine
Rede mehr und auch ein Ende der Gewalt wird nirgendwo gefordert.
Jene Bedingungen aber hat die internationale Gemeinschaft an ein
Ende des seit einem Jahr andauernden Finanzboykotts der
Palästinenserbehörde geknüpft. Zwar wird
Saudi-Arabien das Abkommen selbst mit einer Milliarde Dollar
honorieren, doch es deutet nicht viel da-raufhin, dass es den
Beteiligten in Mekka Anfang Februar tatsächlich gelungen ist,
die Palästinenser aus der Isolation zu führen. Als
"interessante Entwicklung" bezeichnete die britische
Außenministerin Margaret Beckett das Abkommen von Mekka, und
anderswo klang das angesichts des durchwachsenen Ergebnisses nicht
viel anders. Nur Russlands Präsident Wladimir Putin
äußerte öffentlich seine Hoffnung, die Zahlungen an
die Palästinenserbehörde nun wieder aufnehmen zu
können.
Wirklich überrascht haben dürfte
das Dokument indes niemanden: Nach den zahllosen verpatzten
Verhandlungsversuchen des vergangenen Jahres war allzu deutlich
geworden, dass mit einer radikalen ideologischen Kehrtwende der
Hamas nicht zu rechnen war. Die Formulierung, auf die man sich nun
geeinigt hat, ist so ambivalent, dass beide Seiten sie vollkommen
unterschiedlich interpretieren können. Wenn die Hamas das
Osloer-Abkommen respektiere, dann erkenne sie damit indirekt Israel
an, argumentieren Abgesandte der Fatah im Rahmen ihrer
diplomatischen Charmeoffensive. Daheim in Palästina beharren
die Führer der Hamas hingegen ungerührt darauf, nie
offiziell den Staat Israel anerkannt zu haben, freuen sich, den
Bürgerkrieg beendet zu haben und kündigen an, nun "alle
Kraft auf den Kampf gegen Israel" konzentrieren zu wollen.
So ist auch nicht anzunehmen, dass Israelis
und Palästinenser nun bald am runden Tisch die Feinheiten
eines Friedensplanes diskutieren. Vielmehr scheinen die beiden
wichtigsten Fraktionen der Palästinenser sich auf jenes alte
Diktum besonnen zu haben, das Politik als "Kunst des
Möglichen" definiert. Es war wohl kein Zufall, dass Mahmud
Abbas nach Abschluss der Verhandlungen nicht vom Frieden sprach,
sondern seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, die Übereinkunft
könne "zu einem Ende der Gewalt" in den
Palästinensergebieten führen. Das ist dann auch wohl der
größte unmittelbare Erfolg des Abkommens von Mekka: Fast
100 Palästinenser sind bei den bürgerkriegsähnlichen
Auseinandersetzungen in den vergangenen Monaten ums Leben
gekommen.
Angesichts der verhärteten Fronten und
der Tatsache, dass heute viel zu viele frustrierte
Halbwüchsige schwer bewaffnet durch die Straßen in Gaza
ziehen, grenzt der neue Friede fast an ein Wunder. Das Abkommen von
Mekka hat aber auch die israelische Regierung vor ein Dilemma
gestellt: War es bisher möglich, die inzwischen
zurückgetretene Hamas-Regierung mit Nichtbeachtung zu strafen
und mehr oder weniger unverbindliche Gespräche mit dem
gemäßigten Präsidenten Abbas zu führen, so
wird diese Trennung nach der Bildung einer Einheitsregierung von
Hamas und Fatah kaum aufrechtzuerhalten sein. Obwohl in der
israelischen Regierung in diesen Tagen durchaus Stimmen zu
hören sind, die einen vollständigen Abbruch der
Beziehungen zu Präsident Abbas fordern, scheint
Ministerpräsident Ehud Olmert einen solch radikalen Schritt
vermeiden zu wollen. In Abstimmung mit Außenministerin Zipi
Livni und Verteidigungsminister Amir Peretz will Israel eine
diplomatische Initiative starten, um die Weltgemeinschaft an ihre
Bedingungen für ein Ende des Finanzboykotts zu erinnern. Auch
die Forderung des Oppositionsführers Benjamin Netanjahu, das
Gipfeltreffen von Ehud Olmert, Mahmud Abbas und
US-Außenministerin Condoleezza Rice am 19. Februar abzusagen,
wies Olmert zurück.
"Theoretische Gespräche"
Gleichzeitig ist Olmert aber darum bemüht, die Bedeutung
des Treffens herunterzuspielen. Von "theoretischen Gesprächen"
ist da in Jerusalem die Rede. Auf keinen Fall werde man über
Dinge wie die Flüchtlingsfrage, einen Rückzug auf die
Grenzen von 1967 oder den Status von Jerusalem verhandeln - alles
Fragen, die den Palästinensern unter den Nägeln brennen
und die Abbas so bald wie möglich angehen möchte. Auch
mit "vertrauensfördernden Maßnahmen" wie der Entlassung
palästinensischer Gefangener sei dieses Mal nicht zu rechnen.
Während also Abbas auf israelische Unterstützung
angewiesen ist, um seine Position gegenüber der Hamas zu
stärken, will Israel ihn nicht ausgerechnet für den in
Mekka geschlossenen "Pakt mit dem Teufel" belohnen. Es bedarf
keiner Fantasie um sich auszumalen, was diese Konstellation
für das Gipfeltreffen und die Vermittlungsbemühungen von
Außenministerin Rice bedeutet.