Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie
ich damals im Tiefflug mittags um halb zwei zum Kindergarten
gefahren bin, um meine Tochter abzuholen, die dort als letzte in
der Tür stand." Marlene Rupprecht (SPD) haben die Ergebnisse
des Unicef-Berichtes zur Situation von Kindern in
Industrieländern, der am 14. Februar vom Kinderhilfswerk
vorgestellt wurde, nicht überrascht. "Eltern dürfen nicht
unter permantem Stress stehen, wo sie ihr Kind unterbringen",
lautet ein Fazit der Vorsitzenden der Kinderkommission des
Bundestages.
Wieder nur Mittelfeld
Deutschland hat bei der internationalen Vergleichsstudie unter
21 Ländern nur den elften Platz erreicht. Ganz vorne liegen
die Niederlande, Schweden und Dänemark. Am schlechtesten
schneiden die Vereinigten Staaten und Großbritannien ab.
Unicef analysiert dabei nicht nur die materielle Situation, sondern
auch die Bereiche Bildung und Gesundheit. Außerdem fragt die
Organisation nach der Beziehung der Jugendlichen zu Eltern und
Gleichaltrigen, nach ihrer Lebensweise und Risiken wie Drogen, und
nach der Selbsteinschätzung der jungen Menschen, was ihre
derzeitige Situation und ihre Zukunftsaussichten betrifft.
In punkto Bildung landet Deutschland wieder
auf dem elften Platz. Was die Kenntnisse von 15-jährigen in
Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften angeht, liegt die
Bundesrepublik auf Rang 15 - Unicef beruft sich hier auf die
Pisa-Studie -, im Bereich weiterführender Schulen aber auf
Platz drei. Laut Studie gibt es in sechs der anderen Länder
mehr Jugendliche, die weder zur Schule gehen noch einen
Ausbildungsplatz haben. Mehr als 30 Prozent der 15-jährigen
Deutschen glauben, dass sie als Erwachsene nur gering
qualifizierter Arbeit nachgehen werden. Damit landen die Deutschen
hier auf Platz 20.
Rupprecht versucht den Ergebnissen der Studie
einen Teil der Dramatik zu nehmen: Für Deutschland sei die
Datenlage aufgrund des föderalen Systems nicht so gut, da
müsse man auch genauer hinschauen, welche Daten für
welche Auswertung verwendet worden seien. Trotzdem sagt sie im
Gespräch mit unserer Zeitung: "Für eine Industrienation
ist es nicht gut, wenn wir im Mittelfeld liegen." Der nationale
Aktionsplan "Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010"
müsse daher gründlich umgesetzt werden.
Dabei dürfe nicht nur auf die
Bundespolitiker gezeigt werden."Es muss nicht nur heißen: Ein
kindergerechtes Deutschland, sondern zum Beispiel ein
kindergerechtes Bayern und ein kindergerechtes Nürnberg - dann
hätte es jeder begriffen." Außerdem plädiert sie
dafür, Kinderrechte gesondert in der Verfassung zu verankern.
Rechtstheoretiker meinten, dass Kinder durch die Menschenrechte
schon ausreichend geschützt seien. In Artikel 2 des
Grundgesetzes sei zwar das Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit verankert. Ein Kleinkind könne dies aber
nicht in Anspruch nehmen, weil es seine Persönlichkeit noch
nicht voll entwickelt habe.
Mehr Geld für Bildung
Auch die Politiker der anderen Bundestagsparteien forderten
Konsequenzen. Familienministerin Ursula von der Leyen sieht ihre
Politik durch den Bericht bestätigt. "Der Schlüssel zu
einer erfolgreichen Familienpolitik ist, dass wir es Frauen und
Männern leichter machen, Zeit für Kinder zu haben und
ihre Fähigkeiten im Beruf zu entfalten", so von der Leyen. Zu
den Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung die Situation
von Kindern und Eltern verbessern wolle, gehörten auch mehr
Plätze in Kindertagesstätten.
Unterstützung bekommt die Ministern von
Claudia Roth, Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. Die
Studie zeige erneut, dass ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab
dem ersten Lebensjahr dringend durchgesetzt werden müsse. "Wir
brauchen endlich einen Rechtsanspruch auf Bildung, Betreuung und
Erziehung für jedes Kind von der Geburt an", fordert auch
Diana Golze (Die Linke). Miriam Gruß (FDP) will eine bessere
Vorbereitung der Eltern auf ihre Rolle. Sie müssten sich zudem
trotz Alltagsstress Zeit für ihre Kinder nehmen
können.
Mehr Geld für Kinder und engagiertere
Eltern fordert auch der Hauptgeschäftsführer des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Bessere
Kindergärten und Schulen seien "das beste Programm für
mehr Kinderfreundlichkeit, aber auch für die Zukunft unseres
Landes". Doch die Eltern müssten ihren Pflichten, wie zum
Beispiel dem Besuch der Elternsprechtage in der Schule, ebenfalls
nachkommen, sonst müsse das Kindergeld gekürzt
werden.
Mehr Bildungsinvestitionen fordert auch Jürgen Hambrecht,
Vorstandsvorsitzender der BASF AG. Mit der Wissensfabrik, einem
Verbund von 50 Unternehmen, wirbt er für mehr und besser
qualifizierte Kinderbetreuung. Kinder, die früher und besser
lernten, sehe er als kreative Arbeitnehmer der Zukunft, sagte er
der Nachrichtenagentur dpa. Dazu sei es auch notwendig, das
Personal von Krippen und Kindergärten besser zu schulen.
Aktionen gegen "das Fehlen einer
verlässlichen Lebensumwelt" forciert der Deutsche
Caritasverband. "Patenschaftsprojekte, Familien entlastende
Angebote und Begleitung im Schulalltag" seien Maßnahmen, um
Kindern ein stabiles Umfeld und Teilhabe an der Gesellschaft zu
ermöglichen, so Caritas-Präsident Peter Neher.