Die Farbe Rot hat für Christel Humme
großen symbolischen Wert. Sie steht für ihr politisches
Selbstverständnis. Vielleicht ist auch deshalb der
auffällige Farbton bei ihr im Alltag allgegenwärtig - zum
Beispiel in ihrer poppigen Brille.
In Christel Hummes Wahlkreisbüro in
Witten sind selbst Sofa, Stühle, Tassen und Bilderrahmen in
Rot ausgewählt. Das ist ein Statement: "Ich bekenne Farbe, und
ich grenze mich auch vom Konservativen ab." Dass die
familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion moderner
denkt als viele andere Abgeordnete ihres Alters, spürt sie
besonders bei Diskussionen über Rollen-, Familien und
Frauenbilder. Seit neun Jahren sitzt die gebürtige Hertenerin
im Deutschen Bundestag, ist eine von 79 Frauen innerhalb der
SPD-Fraktion. Sie vertritt in Berlin den nördlichen
Ennepe-Ruhr-Kreis als Direktkandidatin. Ihren Konkurrenten
ließ sie 2005 mit mehr als 52 Prozent der Erststimmen weit
hinter sich.
Die heute 57-Jährige kam 1998 mit
breitem Basiswissen auf die bundespolitische Bühne, um sich
dort der Querschnittsaufgabe Familien, Frauen-, Senioren- und
Jugendpolitik zu widmen. Zuvor war sie unter anderem Mitglied im
Jugendhilfe- und Schulausschuss des Rates der Stadt Witten. Die
Sozialdemokratin ist eine Frau der Zahlen: Sie studierte
Wirtschaftswissenschaften und machte einen Abschluss als
Diplom-Ökonomin. Es folgte ein Zusatzstudium Englisch.
Anschließend arbeitete sie mehr als 20 Jahre als Lehrerin.
Die Beschreibung "Berufspolitikerin" akzeptiert sie heute für
sich nur, wenn damit nicht das Etikett "abgehoben auf Wolke 7"
verbunden wird. Zu dieser bodenständigen Frau aus dem
Ruhrgebiet - Vater Bergmann, Schwiegervater Stahlkocher -, die eine
direkte und vor allem klare Sprache liebt, würde das
Abgehobene auch gar nicht passen.
Christel Hummes Leib- und Magenthema ist
"Frau und Beruf". Das hat auch mit ihrer persönlichen Vita zu
tun. Als Mutter von zwei Töchtern (21 und 25 Jahre alt) erfuhr
sie am eigenen Leib, wie schwierig es ist, Beruf und Mutterrolle
unter einen Hut zu bringen. Als ihre Kinder ganz klein waren,
fehlten ausreichend Betreuungseinrichtungen und die
Großmütter sprangen ein.
Das Umdenken, das die Politik in den
vergangenen Jahren in Bezug auf Familie, Bildung und Beruf bewirkt
habe, sagt sie, sei ein Quantensprung. "Heute halten über 60
Prozent der Bevölkerung die Ganztagsschule für etwas
Gutes", unterstreicht Humme. "Vor zehn Jahren hat nur ein Drittel
der Menschen so gedacht." Diese Entwicklung sei ein
Riesenfortschritt für die Gleichstellungs- und
Vereinbarkeitsdebatte, findet die Politikerin.
Ihre persönliche Erfahrungen als Mutter
und berufstätige Frau sind jedoch nicht ihr einziger Antrieb,
sich politisch einzubringen. Schon in den späten 60er-Jahren
zählte sie im Ruhrgebiet in der SPD zu den engagierten
Jungsozialistinnen. "Als typisches Kind dieser Zeit", so Humme,
"war es für mich ein wichtiges Motiv, gegen Autoritäten
anzukämpfen." Autoritäten - das waren damals vor allem
die Lehrer in den Schulen und die Väter daheim. Das passte
Christel Humme nicht. Aus der Zeit der Demos und Proteste nahm sie
für die Zukunft mit: "Wer seine Gesellschaft nicht so haben
will, wie sie ist, der muss sich engagieren. Sonst tut sich
nichts."
Humme will als Frauenpolitikerin auch weiter
Impulse geben und "ärgern". Dabei hat sie etwa die
Verantwortlichen in der Wirtschaft im Blick. Ein
Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft bleibt ihr
Ziel. Bis dahin werde ihre Frustrationstoleranz sicher noch auf
eine harte Probe gestellt, meint sie. Ohnehin brauche man davon in
der Politik eine Menge.
Eine wichtige Fähigkeit ist für
Humme, sich immer am eigenen Schopf hochziehen zu können.
"Sonst schafft man das nicht. Sonst wird man vielleicht zynisch und
zieht sich zurück." Doch Rückzug war ohnehin nie Christel
Hummes Sache - diese Strategie hält sie für "völlig
falsch". Denn sie weiß, dass Frauen vor allem in
Führungspositionen immer noch keine
Selbstverständlichkeit sind. Dafür, dass sie es werden,
kämpft Christel Humme. Gern auch in rot.