Politiker hassen Jugendliche." Zu diesem
bitteren Schluss kommt jedenfalls der - wahrscheinlich
minderjährige -Computerspiel-Anhänger mit dem Pseudonym
xyu im Diskussionsforum "heise.de" zum Sofortprogramm zur
Verschärfung des Jugendschutzes von Bundesfamilienministerin
Ursula von der Leyen. Kaum hatte sie gemeinsam mit ihrem
nordrhein-westfälischen Amtskollegen Armin Laschet (beide CDU)
am 13. Februar das Programm veröffentlicht, ging es in
diversen Internetforen hoch her -so wie immer, wenn Politik plant,
gegen gewalttätige Computerspiele anzugehen. Spieler wollen
spielen, und zwar das, was ihnen Spaß macht.
Für die Ministerin jedoch hört der
Spaß bei "gewaltbeherrschten" Computerspielen auf. Davor will
sie Kinder und Jugendliche besser als bislang schützen. Ihr
Sofortprogramm stellte sie drei Tage vor der bayerischen
Gesetzesinitiative für ein komplettes Verbot von
"Killerspielen" vor. Und da die Spiele-Industrie (Umsatz 2005: 1,05
Milliarden Euro) vor allem dieses Verbot fürchtet,
begrüßte der Bundesverband Interaktive
Unterhaltungssoftware von der Leyens Programm umgehend - auch wenn
"vereinzelt Gesprächsbedarf" gesehen wird.
Laut von der Leyens Sofortprogramm sollen
zunächst die Einstufungskriterien für die Freigabe von
Computerspielen an Kinder und Jugendliche verschärft werden.
Heißt es bislang im Jugendschutzgesetz, dass
Gewaltverherrlichung zum Verbot für die Abgabe an unter
18-Jährige führt, will die Ministerin mehr: "Spiele, in
denen deutlich visualisierte Gewaltanwendungen mit 'Leben sammeln'
oder Erreichen eines weiteren Levels belohnt werden oder in denen
Mord- oder Metzelszenen detailliert dargestellt werden, kommen auf
den Index." Damit dürfen diese Spiele Kindern und Jugendlichen
nicht zugänglich gemacht werden und unterliegen einem
Werbeverbot. Um die Hemmschwelle zu erhöhen, diese Spiele an
Kinder und Jugendliche zu verkaufen, stellt sich das
Familienminis-terium Warnhinweise auf den Verpackungen vor,
ähnlich denen auf Zigarettenschachteln. Am liebsten wäre
der Ministerin, auf dem Spiel stünde "Dieses Spiel macht dumm
und gewalttätig".
Damit ein Computerspiel an Kinder und
Jugendliche verkauft werden darf, muss schon heute jedes Spiel eine
Alterseinstufung bekommen. Die nimmt im Auftrag der
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien die
Freiwillige Selbstkontrolle der Spieleindustrie (USK) vor. Die
Industrie ist interessiert an den Einstufungen. Zum einen
können eingestufte Spiele nicht verboten werden, zum anderen
nehmen viele Händler nur Spiele mit Einstufung ins
Sortiment.
Das Gutachtergremium der USK, in dem
Pädagogen, Wissenschaftler, Jugendamtsmitarbeiter aus allen
Bundesländern sitzen, prüft im Jahr rund 2.800 Spiele,
knapp sechs Prozent erhielten 2006 keine Jugendfreigabe. Der
USK-Geschäftsführer Klaus Spieler schätzt, bei
verschärften Freigabe-Kriterien könnte sich die
Altersfreigabe "bei vielleicht 80 bis 100 Spielen verschieben.
Reine Erwachsenenspiele spielen auf dem Markt eine relativ kleine
Rolle." Die stärkere Abgrenzung zwischen Spielen für
Erwachsene und solchen für Kinder und Jugendliche, wie von der
Leyen anstrebt, begrüßt Spieler. "Der bayerische
Innenminis-ter Günter Beckstein dagegen will Erwachsenen
Spiele verbieten, damit Kinder und Jugendliche nicht dran kommen.
Das halte ich für verfehlt."
Bayern hat am 16. Februar im Bundesrat die
Initiative für ein Totalverbot von so genannten Killerspielen
eingebracht. Becksteins Argument: Wenn die Spiele nicht verboten
sind, können Erwachsene sie kaufen und an Kinder weitergeben.
Doch in der Länderkammer ist der Vorstoß umstritten. SPD
und Teile der CDU lehnen die Forderung aus Bayern ab. SPD-Chef Kurt
Beck erklärte vor der Sitzung, populistische schnelle
Vorstöße seien "wirklich nicht geeignet". Parteikollege
Jörg Tauss hält sowohl den Vorstoß der
Familieniminsterin als auch die Beckstein-Initiative "für
einen politischen Schnellschuss". Die ursächliche
Verknüpfung von Ballerspielen mit realer Brutalität sei
"absolut überspitzt".
Die Oppositionsparteien sprechen sich
geschlossen gegen ein Totalverbot aus. Chris-toph Waitz (FDP) sieht
nicht den Staat, sondern "in erster Linie die Eltern" in der
Verantwortung. Jan Korte von der Linken hält den
Beckstein-Vorstoß für "weltfremd". Wer solche Spiele
haben wolle, "wird sie sich notfalls auch über
Tauschbörsen im Internet beschaffen". Und die Grünen
vermissen "eine Gesamtstrategie zur Prävention von
Jugendgewalt".
Uneingeschränkte Unterstützung
für von der Leyen und Beckstein ist allein aus der Union zu
vernehmen. "Gewaltbeherrschte Computerspiele, Videos und DVD
dürfen nicht länger als Teil der Freizeitkultur von
Kindern und Jugendlichen hingenommen werden", sagt der
medienpolitische Sprecher der CDU Wolfgang Börnsen.
Während das Kabinett von der Leyens Sofortprogramm bis zu
Sommerpause beschließen will, soll der Bundesrat über
den Antrag aus Bayern erst abstimmen, wenn die bestehenden Regeln
in wissenschaftlichen Studien bewertet worden sind.
Was auch entschieden wird: Der
Spieler-Community dürften angesichts der Diskussionen die
Haare zu Berge stehen. Der "heise.de"-Diskutant McQuerly
flüchtet sich in Zynismus: "Wenn nach dem Spielverbot ein
Amokläufer auf Tour geht, verbieten wir halt das
Internet."