POSTLIBERALISIERUNG
Brüssel möchte mehr Wettbewerb. Einige Länder kämpfen aber um ihr Monopol.
Viele der Themen, die auf einem Europäischen Gipfel diskutiert werden - wie jüngst am 8. und 9. März in Brüssel - haben für den Bürger auf den ersten Blick nichts mit ihrem Alltag zu tun. Ganz anders bei zwei heißen Eisen, die in der vergangenen Woche beim Rat auf der Tagesordnung standen: Roaming-Gebühren und die Liberalisierung der Postdienstleistungen.
Im Oktober vergangenen Jahres hatte die Kommission Rat und Parlament eine neue Postrichtlinie zugeleitet. Danach sollen alle Beförderungsmonopole, die jetzt noch für Briefe bis 50 Gramm möglich sind, entfallen. "Ohne die vollständige Öffnung für den Wettbewerb werden die europäischen Postmärkte immer weniger in der Lage sein, den Herausforderungen der Revolution in der Kommunikation gerecht zu werden", sagt Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy. Länder wie Schweden, Holland oder Deutschland, die das Briefmonopol schon vor Jahren ganz oder weitgehend abgeschafft haben, hätten die modernsten und leistungsfähigsten Postdienste in Europa.
Gleichzeitig will die Kommission am bisherigen "Universaldienst" festhalten. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Post flächendeckend mindestens fünf Mal in der Woche abgeholt und ausgeliefert wird. Sie können den Postunternehmen außerdem vorschreiben, bestimmte Dienste anzubieten und die Preise regulieren.
Im Ministerrat sperren sich vor allem die Franzosen, Italiener und Belgier gegen die Abschaffung des Monopols. Nur die Monopolisten könnten den Universaldienst auch finanzieren, heißt es in Paris. Die Kommission geht davon aus, dass der Universaldienst auch im Wettbewerb erbracht wird. Dort, wo die Mindestversorgung gefährdet sei, könnten die Mitgliedstaaten die Finanzierung des Universaldienstes durch Zuschüsse oder durch Umlagen zu lasten aller Postdienstleister sicherstellen. Die bisherigen Monopolisten müssten in diesem System allerings um die Zuschüsse für den Universaldienst im Wettbewerb antreten.
Dem Chef der deutschen Post, Klaus Zumwinkel, würde das gefallen. Sein Monopol soll er schon im nächsten Jahr abgeben. Neue Märkte will er dann in den anderen EU-Staaten erobern. Die Monopole müßten deshalb im Gleichschritt abgeschafft werden, verlangt der Chef des gelben Riesen, der bereits jetzt auf seinem Heimatmarkt bedrängt wird. Kurierdienste, Zeitungsverleger und die privatisierte holländische Post TNT wollen der Deutschen Post in den nächsten fünf Jahren ein Zehntel ihres Briefgeschäftes von zehn Milliarden Euro abjagen. Unterstützung hat Zumwinkel jetzt von Franz Müntefering erhalten, der die bereits beschlossene Abschaffung des deutschen Briefmonopols wieder in Frage stellt. Ansonsten würden "ausländische Anbieter unseren Markt abgrasen", ohne dass deutsche Unternehmen die gleichen Chancen in anderen EU-Staaten hätten. "Wir können Vorreiter sein - aber nicht blöd."
In Brüssel ist man über den Rückfall in den Protektionismus nicht begeistert. Von der deutschen Ratspräsidentschaft hatte der Binnen-marktkommissar erwartet, dass sie sich für eine schnelle und vollständige Liberalisierung der Postdienste einsetzt. Auch der Berichterstatter des Europäischen Parlamentes, Markus Ferber (CSU), hält nichts von der Vergeltungsstrategie des deutschen Vizekanzlers. "Marktabschottung ist immer das schlechteste Mittel, um Arbeitsplätze zu sichern."
Auch in der Telekommunikation kommt der Wettbewerb auf europäischer Ebene nur schleppend in Gang. Obwohl die Monopole in dieser Branche schon vor fast zehn Jahren abgeschafft wurden, geben die ehemaligen Staatsmonopolisten weiter den Ton an.
Auf neuen Märkten wie dem Mobilfunk haben sich wenige Anbieter fest etabliert. Im Geschäft mit der Weiterleitung von Mobilfunkgesprächen über die Grenzen, Roaming genannt, haben sie ein lukratives Oligopol gebildet. Obwohl die Weiterleitung von Gesprächen innerhalb eines Mitgliedsstaates technisch das Gleiche ist wie zwischen den Mitgliedstaaten, müssen die Mobilfunkkunden für letzteres im EU-Durchschnitt das Vierfache bezahlen. Die EU-Kommission hat deswegen vorgeschlagen, für das Roaming Höchstpreise festzulegen. Die Preise, die sich die Mobilfunkgesellschaften gegenseitig in Rechnung stellen, sollen sich am europäischen Durchschnitt orientieren. Für diesen Vorschlag zeichnet sich bislang weder im Ministerrat noch im Europäischen Parlament eine Mehrheit ab. Unumstitten sei, dass die Roaming-Preise zu hoch seien, sagt der Berichtersttater des Europäischen Parlamentes, Paul Rübig (EVP). "Obwohl manche Anbieter ihre Konditionen in jüngster Zeit verbessert haben, stehen die Preise in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Kosten. "Rübig will allerdings nur für die Preise eine Obergrenze festsetzen, die sich die Mobilfunker gegenseitig in Rechnung stellen. Dafür haben sich auch die Regulierungsbehörden der EU ausgesprochen.
Im Ministerrat geht es weniger um's Grundsätzlich als um Geld. Die Südländer wollen das Roaming als lukrative Einnahmequelle nicht verlieren, die Länder im Norden haben das umgekehrte Interesse. Für die deutsche Ratspräsidentschaft steht das Thema ganz oben auf der Agenda: "Es geht um ein Europa der Ergebnisse", sagt Wirtschaftsminister Michael Glos. Eine Vereinbarung, die den Geldbeutel der deutschen Touristen schont, will Glos noch vor der Sommerpause erzielen.