Das deutsche Schienennetz ist nicht gut gewartet, darin sind sich Vertreter von Verkehrsverbänden, Lokführer-Gewerkschaft und Betreiber privater Eisenbahnunternehmen einig mit dem Bundesrechnungshof (BRH). Der wirft der Deutschen Bahn AG (DB AG) in einem Ende Februar bekannt gewordenen Bericht vor, durch verschleppte Instandhaltung von 2001 bis 2005 notwendige Reparaturen im Umfang von 1,5 Milliarden Euro unterlassen zu haben. Der Rechnungshof listet in seinem Bericht dazu 2.300 konkrete Mängel auf.
Im Verkehrsausschuss kritsierten die Verbands- und Gewerkschaftsvertreter am 7. März, statt einer vorbeugenden Instandhaltung verfolge die Bahn eine reaktive Politik. Arthur-Iren Martini, Geschäftsführer des Netzwerk Privatbahnen, in dem europäische Eisenbahngüterverkehrsunternehmen zusammengeschlossen sind und das nach eigenen Angaben 70 Prozent des Verkehrsaufkommens auf der Schiene vertritt, bezeichnete den BRH-Bericht gar nur als "die Spitze des Eisbergs".
Der Zustand des Schienennetzes ist seiner Meinung nach schlechter als vom Rechnungshof festgestellt. Eine große Zahl von Gleisen sei in den vergangenen Jahren ebenso abgebaut worden wie "etliche Weichen", kritisierte Manfred Schell, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer. Zugverspätungen von zwölf bis 24 Stunden im Güterverkehr beispielsweise aufgrund fehlender Ausweichstrecken seien keine Seltenheit mehr. Martin Henke, Geschäftsführer beim Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), betonte, es gebe viel zu viele Langsamfahrstellen infolge von Baustellen oder Schienenschäden, die nicht abgebaut würden. "Es gibt eine Tendenz zu Großbaustellen, statt im Detail zu arbeiten." Für die Zukunft eines qualitativ guten Schienennetzes ist für Henke und die anderen Sachverständigen entscheidend, dass in einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund als Eigentümer der DB AG und der DB AG klare Instandhaltungs- und Instandsetzungsziele festgeschrieben werden.
Bernd Kaiser von der Überwachungsgemeinschaft Gleisbau gab zu bedenken, Voraussetzung sei, dass es ein instandhaltungsfähiges Netz gebe. Auch er spielte damit auf den in den vergangenen Jahren von der DB AG und deren Tochtergesellschaft DB Netz AG vorgenommenen Abbau von Nebengleisen und Weichenanlagen an.
Dieser führt nach einhelliger Expertenmeinung zu zunehmender Inflexibilität im Schienennetz. Es gebe Baustellen, zu denen Bautrupps und Maschinen erst 35 Kilometer oder weiter herangefahren werden müssten, weil es vorher keine Möglichkeit gebe, "auf das Gleis" zu kommen. "Es wird kein Autohersteller ein Auto ohne Motorhaube bauen und dem Monteur sagen, er müsse über den Kofferraum hineinkrabbeln", so Kaiser.