FRANKREICH
Sarkozys' Amtszeit beginnt am 16. Mai - aber noch lässt er sich nicht in die Karten schauen.
Das wäre Innenminister Nicolas Sarkozy nicht passiert. Da brennen in den Nächten nach der Präsidentschaftswahl aus Protest gegen den Sieger Autos in den Vorstädten - und dann ist der Hardliner nicht wie gewohnt mit TV-Kameras im Schlepptau vor Ort, um dem "Gesindel" zu zeigen, was Sache ist. Aber Sarkozy agiert jetzt nicht mehr als oberster Polizist. Nach dem Triumph an den Urnen will er fortan "alle Franzosen lieben", wie er am Wahlabend pathetisch ausruft. Erstmal macht er aber Urlaub auf der Luxusjacht eines Bekannten - was auch für Empörung sorgte. Sarkozy, der stets polarisiert hat, übt sich nach seinem Sieg über die Sozialistin Ségolène Royal in neuer Rolle ein. Der Präsident werde die Gräben nicht vertiefen, "sondern eher zuschütten", sagt Frank Baasner voraus, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg.
Bislang profilierte sich Sarkozy als zupackender und volksnaher Macher, aber auch als "speedy Sarko", als ehrgeiziger und äußerst machtbewusster Politiker. Nach seinem Erfolg betont der 52-Jährige noch einmal sein rechtskonservatives Credo, beschwört "Ordnung und Disziplin", die "Staatsautorität", Werte wie Arbeit und Moral: "Ich werde der Nation und der nationalen Identität ihre Ehre zurückgeben", verspricht er.
Jenseits der Gesten könnte die Kabinettsriege, die Sarkozy nach der Übernahme der Amtsgeschäfte von Jacques Chirac am 16. Mai präsentiert, Näheres über seine Politik offenbaren. Vieles spricht für den ehemaligen Erziehungsminister Francois Fillon als Premierminister, einem engen Vertrauten Sarkozys. Fillon skizziert schon mal Grundzüge der Ministermannschaft: Dort würden gerade die Zentristen, die unter der Flagge des Liberalkonservativen Francois Bayrou bei der Präsidentschaftswahl bemerkenswert gut abschnitten, stark vertreten sein. Und selbst von der Berufung "linker Persönlichkeiten" ist die Rede. Wer da-
rin eine Öffnung zur Mitte sieht, könnte enttäuscht werden, denn noch befindet sich Frankreichs Politik in einer Übergangsphase: Erst nach den Parlamentswahlen im Juni werden wohl die politischen Zeichen eindeutig gesetzt werden. So ist denn die Komposition der zunächst provisorischen Regierung vor allem ein Manöver, um in vier Wochen Sarkozys Partei UMP durch Signale an die Mitte eine Mehrheit zu verschaffen. Sarkozy dürfte es deshalb vorerst eher bei seinen eher vagen Ankündigungen belassen, um die Bürger nicht mit schmerzhaften Einschnitten zu verprellen. Es gilt, sich über eine sichere Bastion in der Nationalversammlung gegen Widerstände zu wappnen. Wenn Sarkozy "Vollbeschäftigung" und eine Stärkung der Kaufkraft verspricht, dann eckt dies nirgends an. Aber an den avisierten Eingriffen ins Rentensystem und in den Kündigungsschutz, wie auch am Abspecken des öffentlichen Dienstes, sind schon manche Regierungen gescheitert. Den Gewerkschaften will Sarkozy, trotz seines Gesprächsangebotes, mit einer Beschneidung des Streikrechts an den Kragen.
Sarkozy kann wohl bei den Parlamentswahlen im Juni wahrscheinlich mit einem Sieg rechnen. Umfragen sehen die UMP derzeit bei 34 Prozent, die Sozialisten bei 29 Prozent: Das Mehrheitswahlrecht würde auf dieser Basis für eine satte Mehrheit in der Nationalversammlung sorgen.
Die Sozialisten sind geschwächt und stehen vor einer Zerreißprobe: Die Linke hat nun drei Präsidentschaftswahlen verloren. Am Wahlabend lässt sich die Verliererin Royal mit ihrem ewigen Lächeln von Anhängern fast wie eine Siegerin feiern. Der Sinn der Inszenierung: Gestützt auf die Basis macht sie ihren Führungsanspruch deutlich "Es ist etwas in Bewegung gekommen", proklamiert Royal, "das nicht mehr aufzuhalten ist." Und ihre wichtigste Botschaft, die wohl mehr an ihre Parteifreunde geht, heißt: "Ich mache weiter." Doch die Kampfansagen liegen auf dem Tisch. Ex-Minister Dominique Strauss-Kahn fordert eine "Erneuerung" der Sozialisten in Richtung Sozialdemokratie: "Ich stehe zur Verfügung." Laurent Fabius, pocht hingegen auf einen linken Kurs. Der Parteivorsitzende François Hollande, Royals Lebensgefährte, will bis zu den Parlamentswahlen einen Burgfrieden erreichen.
Unwägbar für Sarkozy bleibt der Faktor Bayrou. Der Zentrist plant nach seinem Wahlerfolg mit einer neuen Partei anzutreten. Sollten die Liberalkonservativen aus eigener Kraft oder doch wie früher letztlich über Absprachen mit der UMP beim Urnengang punkten, hätte dies politische Folgen: Die Zentristen gelten als ausgesprochen proeuropäisch ausgerichtet.
Von Sarkozy selbst sind auf internationaler Bühne vor der Parlamentswahl wohl nur symbolische Gesten zu erwarten: Die ersten offiziellen Reisen führen ihn zu Angela Merkel nach Berlin und nach Brüssel. Die Kanzlerin erhofft sich eine "sehr gute Zusammenarbeit". Zur Sache geht es aber erst, wenn Paris die EU-Präsidentschaft übernimmt. Dass Sarkozy die EU-Verfassung im Miniformat von der Nationalversammlung absegnen lassen will, könnte Kompromisslinien auf diesem heiklen Feld aufzeigen. Seine Absage an einen EU-Beitritt der Türkei wird Merkels Union, aber nicht der SPD gefallen. Wie seine Vorgänger beschwört Sarkozy die "Partnerschaft" mit den Deutschen. Indes dürfte der Neue ein unbequemer Partner für Berlin und die EU werden:
Denn als Gaullist ist Sarkozy zuerst einmal Franzose. r