Nichtraucherschutz
Bund und Länder suchen und finden viele Wege dorthin
Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) spricht von einem "Quantensprung", die Opposition verhöhnt es als "Nichtraucherschutz light": Das geplante Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens wird derzeit in den Ausschüssen beraten. Zwischen Regierung und Opposition ist neben dem Entwurf selbst auch umstritten, wie und wann es mit dem Rauchen im Parlament ein Ende haben soll. Der Antrag der Grünen, den Bundestag ohne Ausnahmen zur rauchfreien Zone zu erklären, war im Plenum gescheitert, wurde im Gesundheitsausschuss abgelehnt und an den Ältestenrat verwiesen. Diskutiert wird unter anderem, ob von der Aufnahme des Bundestags in den Gesetzentwurf auch die Gaststätten des Bundestages betroffen sind.
Die Regierung will ein grundsätzliches Rauchverbot in allen Einrichtungen des Bundes wie Behörden und Gerichten, in Bussen, Bahnen, Taxis und Fahrgastschiffen sowie Bahnhöfen. Rauchen soll nur noch in dafür vorgesehenen Räumen erlaubt sein. Geplant ist zudem, die Altersgrenze für die Abgabe von Tabakwaren und das Rauchen in der Öffentlichkeit zum 1. Juli 2009 von 16 auf 18 Jahre anzuheben. Verstöße gegen die Verbote können als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro geahndet werden. Vorgesehen ist, das Gesetz am 1. September in Kraft treten zu lassen. Regelungen für die Gastronomie werden in dem Entwurf nicht behandelt, für diese sind seit der Föderalismusreform die Bundesländer zuständig.
Die Gesundheitsverbände kritisieren daher den Entwurf als nicht weitgehend genug. Die Bundesärztekammer spricht von "unzureichenden" Maßnahmen für den Gesundheitsschutz und bemängelt, mit Hilfe der Arbeitsstättenregelung hätte es eine "klare und unbürokratische Regelung" gegeben. Auch die Verbraucherverbände fordern, an allen Arbeitsplätzen, also auch im gesamten Gaststättenbereich, ein Rauchverbot zu erlassen. Das Forum Rauchfrei beklagt, dass mit dem Entwurf ein "umfassender Schutz aller Bürger vor Tabakrauch suggeriert" werde, tatsächlich aber nur Bundeseinrichtungen betroffen seien. Die Spitzenverbände der Krankenkassen lehnen das Vorhalten bestimmter gekennzeichneter Räume für Raucher ab. Nur ein komplettes Verbot könne den Gefahren von Rauch entgegenwirken.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte in erster Lesung betont, in Deutschland seien rund 3.300 Todesfälle jährlich auf Passivrauchen zurückzuführen. Tabak sei das "Gesundheitsrisiko Nummer eins". Auch sie appellierte an die Bundesländer, klare Regelungen in den Gaststätten zu schaffen. Die Bürger würden sich auf Dauer keine unterschiedlichen Maßnahmen gefallen lassen, so die Ministerin.
Ursprünglich war eine bundeseinheitliche Lösung angedacht worden. Zunächst hatten im März 2005 das Gesundheitsministerium und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA freiwillige Maßnahmen der deutschen Gastronomen vereinbart, um gesetzliche Verbote zu vermeiden. Die so genannte Selbstverpflichtung zeigte jedoch wenig Erfolg. Im September 2006 brachten 144 Abgeordneten einen interfraktionellen Antrag ein mit dem Ziel eines Rauchverbots für alle öffentlichen Gebäude, Verkehrsmitteln, Schulen, Universitäten und die Gastronomie. Auch Bündnis 90/Die Grünen machten sich in einem eigenen Antrag für einen umfassenden Schutz vor Passivrauchen stark.
Eine Arbeitsgruppe erarbeitete Vorschläge, im Dezember wurde dann jedoch klar, dass für die Gaststätten nicht mehr der Bund, sondern die Länder zuständig sind. Im Feb-ruar beschlossen die Gesundheitsminister dann auch ein grundsätzliches Rauchverbot für Speise- und Schankwirtschaften sowie Diskotheken. Nach den Beratungen der Ministerpräsidenten am 22. März aber war klar, dass es kein einheitliches Rauchverbot in der Gastronomie geben wird.
Derzeit wird in den 16 Bundesländern an Gesetzentwürfen gebastelt - Rauchen soll grundsätzlich überall verboten werden, die Unterschiede dabei liegen im Detail. So soll etwa in Hessen ab Herbst ein "konsequenter und umfassender Nichtraucherschutz" in Kraft treten. Das Rauchen in Gaststätten, Diskotheken und Krankenhäusern ist dann verboten. Ausnahmen für Gaststätten gibt es nur, wenn gekennzeichnete Raucherräume eingerichtet sind. Bei Verstößen gegen das Rauchverbot müssen Betreiber mit einer Geldbuße von bis zu 2.500 Euro rechnen und Raucher bis zu 200 Euro zahlen. Die Raucher-Eckkneipe oder einen Raucher-Hauptraum mit Nebenraum für Nichtraucher werde es nicht geben, sagt Sozialminis-terin Silke Lautenschläger (CDU).
Diskobetreibern in Niedersachsen soll dagegen nach einigem Hin- und Her nun erlaubt werden, das Rauchen in Nebenräumen zu erlauben, wenn der eigentliche Diskobereich qualmfrei ist. Die Diskobetreiber hatten damit gedroht, die Rauchverbote zu boykottieren, nachdem im ersten Entwurf ein komplettes Verbot vorgesehen war. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte es ursprünglich Wirten ganz überlassen wollen, ob sie ihren Betrieb zum Raucherlokal erklären oder nicht.
In Nordrhein-Westfalen wird nach Auskunft der Landesregierung an einem Nichtraucherschutzgesetz gearbeitet, "das im Grundsatz auch für Gaststätten gelten" soll. Mehr will man mit Hinweis auf ein laufendes Verfahren nicht nach außen dringen lassen. Ursprünglich war geplant, dass die Besitzer kleine Kneipen als Raucherlokale ausweisen dürfen. Ob es im Saarland zu den geplanten Ausnahmen vom Rauchverbot in Kneipen kommt, in denen der Wirt selbst hinter dem Tresen steht, ist noch offen.
Mecklenburg-Vorpommern will ein striktes Rauchverbot für Gaststätten und Diskos. Nur in völlig abgetrennten Nebenzimmern darf weiter geraucht werden. Auch in Schleswig-Holstein hat das Kabinett einen Gesetzentwurf verabschiedet, der sich an dem Beschluss der Ministerpräsidenten orientiert. Ein umfassendes Nichtraucherschutzgesetz wird auch in Bremen vorbereitet. Hierbei sollen "Rauchverbote mit nur wenigen Ausnahmen" angestrebt werden.
Die Millionenmetropole Hamburg plant Ausnahmen bei Veranstaltungen wie dem Hamburger Dom oder in Vereins- oder Clubheimen, die nicht öffentlich zugänglich sind, zuzulassen. In Berlin und Brandenburg sind Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei.PDS) und Ministerin Dagmar Ziegler (SPD) bemüht, einheitliche Regelungen in beiden Bundesländern zu finden, denn "Gesundheit ist nicht teilbar". Gleichlautende Entwürfe wird es jedoch nicht geben.
In Sachsen sollen Verstöße künftig mit Geldstrafen bis zu 5.000 Euro geahndet werden. Ausnahmen gelten in abgetrennten Nebenräumen von Lokalen sowie für Patienten der Palliativmedizin und in psychi-atrischer Behandlung. In Fußballstadien und Bierzelten soll der blaue Dunst erlaubt sein. In Sachsen-Anhalt, wo Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) den Wirten ursprünglich die Entscheidung über ein Rauchverbot freistellen wollte, wird inzwischen ein strikter Nichtraucherschutz geplant. Für die Raucher in Thüringen und Rheinland-Pfalz werden ebenfalls Einschränkungen diskutiert.
Auch für Baden-Württemberg ist laut Gesundheitsministerin Monika Stolz (CDU) ein umfassender Nichtraucherschutz in den Gaststätten vorgesehen. Bier-, Wein- und Festzelte sowie die Außengastronomie sollen jedoch weiter zum Rauchen freigegeben sein. Und auch in Bayern können die Raucher in Festzelten und Biergärten noch ihre Glimmstängel genießen. Dabei können sie mit dem Verständnis des Ministerpräsidenten rechnen. "Ich weiß als ehemals sehr, sehr starker Raucher, wovon ich rede", sagte Edmund Stoiber (CSU), nachdem sein Kabinett das Nichtraucherschutzgesetz beschlossen hatte.
Der Hotel- und Gaststätten Bundesverband sieht die Entwicklung mit Unbehagen. "Wir lehnen den Flickenteppich ab, die Regelungen sind praxisuntauglich und wettbewerbsverzerrend", unterstreicht Sprecherin Stefanie Heckel. Besonders Einraumbetriebe und Diskotheken fühlten sich benachteiligt. "Wo sollen die denn auch den zweiten Raum hernehmen?" Auch dass in Festzelten das Qualmen erlaubt sein soll, kritisiert der Verband. Es sei falsch gewesen, das Gaststättenrecht auf die Länder zu übertragen.
Man hoffe nun, dass die Landesgesetze zumindest bundeseinheitlich zum gleichen Zeitpunkt eingeführt würden. Am besten geeignet sei der Frühsommer 2008. Bei guter Witterung hätten dann "Wirte und Kunden Zeit, sich an das Verbot zu gewöhnen und sich vielleicht damit anzufreunden".