Experten im Gesundheitsausschuss
Das Gesetz geht vielen nicht weit genug
Nicht eine Zigarettenkippe war am Mittwochnachmittag in den Aschenbechern vor dem CDU/CSU-Fraktionssaal im Reichstagsgebäude zu finden. Offensichtlich war sowohl den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses als auch den geladenen Experten bewusst, dass es keinen guten Eindruck macht, wenn vor einer öffentlichen Anhörung über die Gefahren des Passivrauchens noch mal eine gequalmt wird.
In den folgenden 90 Minuten wurde klar, dass auch unter den geladenen Sachverständigen weitgehend Einigkeit herrscht: Trotz allen guten Willens der Bundesregierung -das vorgelegte Gesetz zum Schutz vor dem Passivrauchen geht nicht weit genug! Vorgesehen ist ein grundsätzliches Rauchverbot in allen Einrichtungen des Bundes, in öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxis. Zum 1. September 2007 soll es in Kraft treten (siehe: nebenstehender Text).
Der Bund habe mit dem Gesetz seine Kompetenzen ausgeschöpft, sagte der Verfassungsrechtler Matthias Rossi von der Humboldt-Universität zu Berlin. Mit der Föderalismusreform habe er die Regelungen zum Gaststättenrecht in die Hand der Länder gelegt. Daher sei er nicht mehr in der Lage, bundeseinheitliche Nichtraucherschutzregelungen in diesem Bereich zu treffen. Die Länder ergänzten die Bundesregelungen seiner Meinung nach aber sehr gut, so dass ein ausreichender Nichtraucherschutz gewährleistet sei.
Im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes, erklärte hingegen Professor Helmut Siekmann von der Goethe-Universität Frankfurt am Main, hätte der Bund ein unbedingtes Rauchverbot auch in der Gastronomie durchsetzen können. Dies wäre verhältnismäßig, da es nicht einzusehen sei, warum die Gesundheit eines Bankangestellten schützenswerter sei als die eines Arbeitnehmers in der Gastronomie. Diese Meinung vetraten auch das Forum Rauchfrei sowie die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum kritisierte vor allem die Möglichkeit der Schaffung von Raucherräumen. Die Idee des Schutzes vor Passivrauchen werde so konterkariert. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) dagegen befürwortete solche Räume. Damit werde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und gleichzeitig ein Interessenausgleich zwischen Rauchern und Nichtrauchern geschaffen. Raucher seien "ehrliche Steuerzahler" so der Vertreter des dbb, die man nicht "hinausdrängen" dürfe.
Mögliche negative wirtschaftliche Folgen eines absoluten Rauchverbotes in Gaststätten zeigte der Verband der Cigarettenindustrie am Beispiel Irlands auf. Dort hätten über 500 Pubs infolge erheblicher Umsatzeinbußen schließen müssen. Die Deutsche Lungenstiftung wiederum verwies auf die Erfolge dieses seit 2004 geltenden Gastronomie-Rauchverbotes. Nach nur einem Jahr habe sich der Gesundheitszustand der Angestellten in den irischen Pubs erheblich ver- bessert.
Die fehlenden Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das Rauchverbot wurden von der Bundesärztekammer und von der Nichtraucherinitiative Deutschland kritisiert. Andere EU-Länder sähen nicht nur eine Bestrafung des Rauchers bei Verstößen gegen das Gesetz vor, sondern auch der Hausrechteinhaber, etwa der Gaststättenbetreiber. Es handle sich bei derartigen Verstößen nicht um Bagatelldelikte sondern um Körperverletzungen, so die Nichtraucherinitiative. In der jetzigen Fassung sei das Gesetz sinnlos. Benötigt würden Bußgeldandrohungen nicht unter 100 Euro für den Raucher und nicht unter 1.000 Euro für den Hausrechte- inhaber.
Ob und in welcher Form der Gesetzentwurf noch Veränderungen erfährt, wird sich in naher Zukunft zeigen. Eines scheint aber jetzt schon klar: Ab September werden vor dem CDU/CSU-Fraktionssaal keine Aschenbecher mehr benötigt.