BIOENERGIE
In Zeiten steigender Preise für fossile Brennstoffe bekommen Alternativen aus der Landwirtschaft eine Chance: Sprit, Strom und Wärme vom Feld
Was vor fast 100 Jahren entdeckt wurde, kommt plötzlich stark in Mode. Lange schon sind die Eigenschaften von Biokraftstoffen bekannt, und schon im Zweiten Weltkrieg packten die Japaner Pflanzensprit in die Tanks ihrer Flugzeuge. Sie bewiesen damit, dass es selbst für Hochleistungsmotoren Alternativen zum herkömmlichen Kraftstoff aus Mineralöl gibt. Wegen der hohen Produktionskosten konnte sich die Alternative vom Acker bisher nicht durchsetzen. In Zeiten der drastischen Verteuerung von Öl und Gas erinnert sich die Welt aber ihrer landwirtschaftlichen Rohstoffe und deren Vorzüge: Geringere Abhängigkeit von Importen; weniger Emissionen der klimaschädlichen Treibhausgase; größere und lukrative Märkte für landwirtschaftliche Produkte. Und was fürs Öl gilt, gilt unter etwas anderen Vorzeichen auch fürs Gas: Die Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten von Biomethan vom Acker unterscheiden sich kaum von denen des fossilen Erdgases.
"Biokraftstoffe: weniger CO2, mehr IQ". Nur mit mehr Intelligenz, so wirbt der Ölmulti BP in Zeitungsanzeigen, seien weniger Emissionen zu erreichen. In Deutschland ist das Unternehmen mit seiner Tankstellentochter Aral Vorreiter beim Einsatz von Biokraftstoffen. 2004 begann BP mit der Beimischung von Biodiesel zum herkömmlichen Diesel. 2005 folgte der aus Ethanol entwickelte Kraftstoffzusatz Ethyltertiärbutylether, kurz ETBE. Im vergangenen Jahr setzte die Gruppe in Deutschland bereits 850 Millionen Liter Bio-Beimischungen ihrem Kraftstoff zu. Insgesamt hatte der deutsche Markt der Bio-Beimischungen ein Volumen von 1,5 Millionen Tonnen.
Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, wird dieser Anteil in den nächsten Jahren stark steigen. Mit dem Biokraftstoffquotengesetz ist Berlin Vorgaben der EU in Brüssel nachgekommen und hat die Bedingungen für Mineralölwirtschaft und Produzenten von Biokraftstoffen drastisch verändert. Statt einen Anreiz zur Beimischung über Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen zu schaffen, gilt von diesem Jahr an eine Quotenregelung. Bezogen auf den Energiegehalt müssen Ottokraftstoff 1,2 Prozent und Diesel 4,4 Prozent Biokomponenten beigemischt werden. Ab dem Jahr 2009 gilt eine Gesamtkomponente von 6,25 Prozent, die auf acht Prozent bis zum Jahr 2015 steigt. Im Jahr 2020 soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung jeder vierte Liter Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen kommen.
Beendet ist die politische Diskussion über das Konzept mit der neuen gesetzlichen Regelung nicht. Die FDP stellte Ende April den Antrag ( 16/5133 ), Biokraftstoffe bis zum Jahr 2009 von der im Energiesteuergesetz eingeführten Besteuerung zu befreien. Verwiesen wird zur Begründung auf Absatzeinbußen speziell beim Biodiesel von 30 bis 40 Prozent durch die Besteuerung. Damit gerieten die von der Biokraftstoffindustrie in der gesamten Verarbeitungskette geschaffenen 150.000 Arbeitsplätze in Gefahr.
Die Mineralölindustrie sieht die Bundesregierung mit ihrer Quotenregelung bei den Biokraftstoffen in Europa in einer Vorreiterrolle. Und das löst nicht nur Freude aus. "Der Einsatz von Ethanol als Ersatz für Ottokraftstoff kostet die Verbraucher viel Geld, zerstört die effizienten Strukturen in der Kraftstoffverteilung, erhöht den Überschuss an Benzin, der exportiert werden muss, und ist nicht einmal aus Umweltschutzgründen sinnvoll, heißt es beim Mineralölwirtschaftsverband. Die Mehrkosten für Bioethanol beliefen sich für den Verbraucher je nach Spritpreis auf 3 bis 5 Cent, rechnet der Branchenverband vor. Aus Gründen des Klimaschutzes sei der Einsatz von Ethanol nur sinnvoll, wenn es wie in Brasilien aus Zu- ckerrohr hergestellt werde. In Deutschland aus Getreide hergestelltes Ethanol könne dagegen sogar zu einem höheren Treibhausgasausstoß führen, wenn Braunkohle als Prozessenergie eingesetzt werde.
"Die Weichen müssen unbedingt in Richtung neue Technologien und Biokraftstoffe der zweiten Generation gestellt werden", sagt Uwe Franke, der Chef der Deutschen BP. Mit Biodiesel und Bioethanol allein seien die politischen Ziele nicht zu schaffen.
Die Europäische Union hat Biokraftstoffe in mehrere Generationen unterteilt. Zur ersten Generation gehören Kraftstoffe, die aus Erntegut wie Raps oder Weizen gewonnen werden. Kraftstoffe der zweiten Generation stammen aus Nebenprodukten wie Stroh oder Holzabfällen. Da die erste Generation ausschließlich aus traditionellen Nahrungspflanzen hergestellt und auch nur ein Bruchteil der verfügbaren Biomasse genutzt werden kann, gilt das Einsparpotenzial dieser Kraftstoffe als begrenzt. Die Produktionskosten sind hoch, und es werden nur begrenzt Treibhausgase vermieden. Also ist der Preis zur Vermeidung von CO2 hoch. Und die Nachfrage der Kraftstoffindustrie nach Ackerflächen treibt die Preise der klassischen Produktion für die Nahrungsmittelindustrie. Aus Mexiko etwa werden heftige Proteste der ärmeren Bevölkerung gegen die drastischen Preissprünge für Grundnahrungsmittel wie die Tortillas gemeldet. Als Preistreiber wurden ausgerechnet die ohnehin wenig beliebten Amerikaner ausgemacht, deren Ethanolfabriken mit den Tortilla-Bäckern um den Rohstoff Mais konkurrieren. Dem Kampf ums Öl könnte der Kampf um Agrarrohstoffe folgen, fürchten Kritiker einer Expansion von Biosprit.
Für die wachsende Konkurrenz zwischen Lebensmittel- und Energieproduktion auf den Feldern sieht Urich Schmack hierzulande keine Probleme. Schmack zählt zu den führenden Herstellern von Biogasanlagen in Deutschland und berät Merkel in Energiefragen. Er verweist darauf, dass vor Erfindung des Verbrennungsmotors schon einmal rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Energieerzeugung benötigt wurde: Zur Produktion von Futtermitteln für Pferde und Ochsen als Zugtiere. "Mobilität und Landwirtschaft gehörten auch früher zusammen", sagt er.
In Deutschland werden etwa 17 Millionen Hektar Fläche landwirtschaftlich genutzt. Würden auf zwei Millionen Hektar Pflanzen für die Biogaserzeugung angebaut, könnten 20 Prozent der derzeitigen Erdgasimporte ersetzt werden. Verwendet wird das Biogas überwiegend am Ort der Entstehung oder in der unmittelbaren Umgebung. In Blockheizkraftwerken wird Strom und Wärme erzeugt. Doch dieser dezentralen Verwendung sind Grenzen gesetzt. Geplant ist die Einspeisung von gereinigtem Biogas in das bestehende Erdgasnetz. Die Stadtwerke Aachen und der regionale Netzbetreiber RWE Rhein-Ruhr gehören zu den ersten Gasversorgern in Deutschland, die Erfahrungen mit der Biogaseinspeisung sammeln.
Aus dem Anbau von einem Hektar Mais lassen sich beim derzeitigen Ertragswert dieser Nutzpflanze etwa 33.000 Kilowattstunden Biogas gewinnen. Das reicht aus, um eine größeres Einfamilienhaus ein Jahr lang zu beheizen. Setzt man Biogas als Kraftstoff ein, würde die gleiche Menge etwa 5.000 Liter Diesel ersetzen und für eine Fahrleistung von 70.000 Kilometern ausreichen. Damit liegt Biogas bei der Effizienz ganz vorne. Bioethanol aus Getreide bringt es nur auf 1.700 Liter pro Hektar. Beim Biodiesel sieht es mit 1.400 Litern Diesel-Äquivalent noch ungünstiger aus.
Doch wirtschaftlich lohnend ist die Biogaserzeugung vor allem wegen der Förderung nach dem Erneuerbare-Energie-Ggesetz. Für jede erzeugte Kilowattstunde Strom erhält der Anlagenbetreiber einen Zuschuss von bis zu 17,5 Cent. Derzeit schlägt die Förderung der Biogasnutzung mit 0,1 Cent je Kilowattstunde auf den Strompreis durch. Jetzt bemühen sich die Biogasproduzenten auch um eine Förderung beim Einsatz zur Wärmeproduktion und als Kraftstoff.