PRESSEFREIHEIT
Grüne scheiterten mit Gesetzentwurf. Die Diskussion geht weiter.
Bündnis 90/Die Grünen sind am 10. Mai mit ihrem Versuch gescheitert, den Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit im Strafrecht zu erweitern. Die Koalitonsfraktionen CDU/CSU und SPD stimmten gegen den Entwurf; FDP und Linksfraktion enthielten sich.
Der Gesetzentwurf der Grünen ( 16/576 ) geht zurück auf den Fall "Cicero". Am 12. September 2005 durchsuchten Beamte der zuständigen Staatsanwaltschaft Potsdam sowie des brandenburgischen Landeskriminalamts und des Bundeskriminalamtes (BKA) die Redaktionsräume des politischen Magazins "Cicero" sowie die Wohnung des Redakteurs Bruno Schirra. Ihnen wurde Beihilfe zum Geheimnisverrat vorgeworfen. Die zuständigen Behörden reagierten damit auf einen Beitrag von "Cicero" im April 2005 über den Terroristen al Zarqawi, der auf einem internen BKA-Bericht basierte. Nachdem innerhalb des BKA nicht ermittelt werden konnte, wie der Bericht nach draußen gelangt war, ordnete das Amtsgericht Potsdam rund ein halbes Jahr später die Durchsuchung an, die ohne Erfolg blieb.
Ende Februar dieses Jahres befand das Bundesverfassungsgericht, dass diese Durchsuchung "einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit" darstelle. Die boße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses reiche dafür nicht aus. Zudem durfte das Magazin nicht lediglich deshalb durchsucht werden, weil die Behörden die Identität eines Informanten herausfinden wollten. Dies war nach Ansicht der Verfassungsrichter bei "Cicero" der Fall.
Der Gesetzentwurf der Grünen sah unter anderem vor, dass Journalisten künftig nicht rechtswidrig handeln, wenn sie zur Verletzung des Dienstgeheimnisses anstiften oder Beihilfe leisten. Ferner hatte sich die Fraktion dafür ausgesprochen, dass die Beschlagnahme von Material in der Wohnung von Journalisten nur durch den Richter angeordnet werden dürfe.
Jerzy Montag (Grüne) war der Meinung, die Pressefreiheit in Deutschland sei gefährdet. Die Verfolgung von Journalisten gehe auch in diesem Jahr "unvermindert" weiter. Zu den Plänen der Großen Koalition, die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, habe es eine Erklärung von 27 gesellschaftlichen Verbänden Deutschlands gegeben, unter ihren der Verband der Zeitungsverleger und der Journalistenverband.
Der Parlamentarische Staatssektretär Alfred Hartenbach (SPD) machte am 10. Mai deutlich, dass die Pressefreiheit zwar einen besonderen, aber keinen uneingeschränkten Schutz genieße. Das im Strafgesetzbuch enthaltene Delikt der Verletzung von Dienstgeheimnissen sorge für einen "angemessen Ausgleich" zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Staates und dem Interesse der Bürger und Medien an einer öffentlichen Kontrolle staatlichen Handelns. Nach Ansicht Hartenbachs entstünde eine "Schieflage", wenn man dem Interesse der Medien einen generellen Vorrang einräume. Damit würde die Grenze zwischen erlaubter journalistischer Berichterstattung und Straftaten "ins Rutschen geraten". Das Bundesverfassungsgericht habe die Strafbarkeit von Anstiftung und Beihilfe zum Geheimnisverrat nicht in Zweifel gezogen. Das Anliegen der Grünen, nur ein Richter dürfe über das Durchsuchen von Journalistenwohnungen entscheiden, geht nach Auffassung Hartenbachs "an der Realität vorbei". Staatsanwälte und Polizeibeamte dürften das schon jetzt nur bei "Gefahr im Verzug" anordnen. Reinhard Grindel von der Unionsfraktion bekräftigte, die Pressefreiheit sei nicht irgendein Grundrecht, sondern "für unsere Demokratie schlechtin konstituierend". Was die Qualität, Vielfalt und Unabhängigkeit der Presselandschaft in Deutschland betreffe, brauche sich die Bundesrepublik nicht vor der Welt zu verstecken. Die Grünen sollten mit ihrem Gesetzentwurf nicht den Eindruck erwecken, dass die Freiheit der Presse durch den Staat beeinträchtigt werde. Der Fall "Cicero" zeige, dass der Rechtsstaat funktioniere. Das Bundesverfassungsgericht habe zu Recht entschieden, dass die Durchsuchungsaktion nicht vom Verfassungsrecht gedeckt war. Der Gesetzentwurf der Grünen schieße laut Grindel "über das Ziel hinaus". Wenn ein Journalist einen Beamten zum Verrat eines Dienstgeheimnisses anstifte, dürfe er sich nicht auf den Schutz durch die Pressefreiheit berufen können. Durch die "Cicero"-Entscheidung sei die Freiheit für Journalisten gestärkt worden. Aber das zwinge die Jorunalisten, sorgfältig mit dieser Freiheit umzugehen.
Es ginge nicht darum, dass die Pressefreiheit über alles gestellt werde, so Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Aber der Fall "Cicero" zeige, dass die Vorschrift im Strafgesetzbuch, die die Verletzung des Dienstgeheimnisses regele, "auf den Prüfstand gehöre". Denn sie sei zu einem "Einfallstor" staatlicher Ermittlungen geworden, um eine undichte Stelle innerhalb des Behördenapparates zu finden. Die Abgeordnete machte deutlich, die FDP-Fraktion gehe nicht mit den Grünen konform, wenn sie die Anstiftung zum Geheimnisverrat durch den Journalisten ablehnen. Ihre Fraktion werde dann ihren Gesetzentwurf einbringen, wenn sich das Parlament mit der Telekommunikationsüberwachung beschäftigen wird. Die Bundesregierung hatte dazu Mitte April einen Gesetzentwurf beschlossen. Petrau Pau (Linksfraktion) meinte, der Fall "Cicero" habe bei all denen "die Glocken läuten" lassen, denen die Pressefreiheit wichtig sei.