TORNADO-URTEIL
Aufklärungsflüge in Afghanistan können fortgesetzt werden
Eigentlich hätte die Verkündung des Tornado-Urteils ein voller Erfolg für die Linke werden können. Nicht, dass die klagende Linksfraktion je damit gerechnet hätte, das Bundesverfassungsgericht werde tatsächlich die sechs Aufklärungsflugzeuge aus Afghanistan in den norddeutschen Fliegerhorst Jagel zurückbeordern. Doch in der beginnenden Debatte um die im Oktober anstehende Verlängerung des Bundeswehreinsatzes hätten die linken Kritiker jedes Krümel höchstrichterlicher Bedenken an globalen Krisenreaktionseinsätzen dankbar aufgesammelt - zumal auch in der Bevölkerung die Begeisterung über den Einsatz deutscher Soldaten im immer gefährlicher werdenden Afghanistan schwindet.
Doch am Ende fand sich in 45 Seiten Begründung - nichts: Die höchsten deutschen Richter haben den Weg für weltweite Einsätze unter dem Dach der NATO freigemacht. Den durchaus plausiblen Einwand der Linken, der globale Kriseninterventionismus mache aus dem einstigen Verteidigungsbündnis einen weltweiten Sicherheitsdienstleister, wies der Zweite Senat überraschend deutlich zurück.
Zwar bleibt die NATO auch aus Karlsruher Sicht ein "regionales", im euro-atlantischen Raum verwurzeltes Bündnis - was die Truppen aber dem Urteil zufolge nicht davon abhalten darf, die Sicherheit der Bündnismitglieder dort zu verteidigen, wo der Angriff herrührt. Das Beispiel Afghanistan - mit dem Talibanregime als Keimzelle der Anschläge des 11. September 2001 - lässt sich nach der Logik des Urteils nahezu auf jedes beliebige Land der Welt übertragen: Überall, wo Terror ausgebrütet wird, darf er auch bekämpft werden. Auch die Karlsruher Ausführungen zum "friedenswahrenden Charakter" der NATO - laut Verfassung Grundbedingung einer deutschen Zugehörigkeit - folgen eher der Diktion pragmatischer Außenpolitiker. Einzelne Völkerrechtsverstöße, heißt es dort, tun den friedenswahrenden Zielen der NATO noch keinen Abbruch. Und die amerikanische "Operation Enduring Freedom" müsste den Richtern zufolge schon komplett völkerrechtswidrig sein, damit er den NATO-geführten ISAF-Einsatz mit deutscher Beteiligung "infizieren" könnte.
Das Urteil ist ein Zeugnis höchstrichterlicher Selbstbeschränkung, nach dem Motto: In der Außenpolitik schlägt seit jeher die Stunde der Exekutive, nicht der Justiz.