Noch ist die Aufklärung des Falls Murat Kurnaz nicht abgeschlossen, der über vier Jahre fälschlicherweise wegen Terrorverdachts in Guantanamo einsaß. Doch neue Aufgaben des Untersuchungsausschusses werfen schon ihre Schatten voraus. So beschloss jetzt das Gremium, zur Beschleunigung der Recherchen zu den geheimen CIA-Gefangenenflügen einen Sonderermittler zu berufen. Ein ungewohntes Experiment: "Wir betreten Neuland", so der Vorsitzende Siegfried Kauder (CDU). Benannt als "Ermittlungsbeauftragter" wurde der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob, der im Herbst mit der Aufarbeitung der Details rund um die CIA-Lufttransporte mit verschleppten Terrorverdächtigen zu Geheimknästen beginnen soll. Die Parlamentarier wollen prüfen, ob Regierung und deutsche Behörden von den Machenschaften des US-Geheimdienstes Kenntnis hatten oder gar in dessen Aktivitäten involviert waren.
Wann sich der Ausschuss den CIA-Flügen widmen wird, ist offen. Möglicherweise wird das Gremium bis zum Ende der Legislaturperiode tagen: Noch mehrere Themen harren der Nachforschung, unter anderem der Einsatz von BND-Agenten in Bagdad während des Irak-Kriegs. Zudem beschloss der Bundestag am 6. Juli, den Untersuchungsauftrag auf den Fall des Deutsch-Ägypters Abdel-Halim Khafagy auszuweiten, der von September 2001 an mehrere Monate in einem bosnischen US-Lager inhaftiert war.
Zur Affäre Kurnaz hatte in der Sitzung am 5. Juli der frühere Bremer Innensenator Thomas Röwekamp Bemerkenswertes beizutragen: Die gegen den Türken vorhandenen Verdachtsmomente hätten Ende 2005 eine Ausweisungsverfügung aus Sicherheitserwägungen gegen den Guantanamo-Häftling bei einer eventuellen Freilassung durch die USA nicht rechtfertigen können. Der CDU-Politiker: "Die Erkenntnislage hat nicht ausgereicht." Im Herbst 2002 hatten Geheimdienstspitzen und Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier Kurnaz als "Gefährder" eingestuft und beschlossen, den Bremer Türken bei einer Entlassung aus Guantanamo nicht zurückkehren zu lassen. Röwekamp erklärte, aufgrund der 2002 über Kurnaz vorliegenden Informationen hätte auch er seinerzeit Kurnaz als Sicherheitsrisiko eingeordnet.
Laut dem Ex-Senator waren die Bremer Ausländerbehörde und das Bundesinnenministerium übereinstimmend der Meinung, dass allein aus rechtlichen Gründen der Aufenthaltsstatus des Türken wegen dessen über sechsmonatiger Abwesenheit infolge seiner Guantanamo-Haft erloschen gewesen sei. Diese Einschätzung, die Röwekamp "schlüssig" findet, führte zur Verhängung einer Einreisesperre für den Fall einer Entlassung durch die USA. Ende November 2005 erkannte das Bremer Verwaltungsgericht Kurnaz den Aufenthaltsstatus wieder zu, womit die Einreisesperre hinfällig war.
Parallel zur Untersuchungskommission überprüft der Verteidigungsausschuss hinter verschlossenen Türen einen Detailaspekt der Affäre Kurnaz: Der Türke wirft KSK-Soldaten vor, ihn im afghanischen Kandahar Anfang 2002 vor seinem Transport nach Guantanamo misshandelt zu haben. Bei diesem KSK-Untersuchungsausschuss sorgt derzeit die noch nicht aufgeklärte Vernichtung elektronisch gespeicherter Daten über Auslandseinsätze deutscher Soldaten zwischen 1999 und 2003 im Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr für Aufregung: Diese Bänder könnten möglicherweise Aufschlüsse liefern über die Vorgänge in Kandahar. Laut Staatssekretär Peter Wichert seien die Bänder wegen eines defekten Speicherroboters nicht mehr lesbar gewesen und dann 2005 vernichtet worden. Für den Gremiumsvorsitzenden Karl Lamers (CDU) ist die Löschung ein "peinlicher Vorgang". Zweifel an der These von der Datenpanne hegen der Grüne Hans-Christian Ströbele und Wolfgang Nescovic (Linkspartei), für den diese Darstellung "unglaubwürdig" ist.