Irak-Krieg
Der Bericht eines »eingebetteten Wissenschaftlers« von der Front
Der Krieg im Irak geht in sein fünftes Jahr, und die Amerikaner beginnen ihre Niederlage - im politischen Sinn - zu akzeptieren. Inzwischen geht es nur noch um eine Interpretation dieser Niederlage. Dies ist eine der wesentlichen Erkenntnisse, die der Politikwissenschaftler und Militärhistoriker Dietmar Herz als "embedded historian" an zentralen Schauplätzen des Krieges wie Bagdad, Samarra und Tikrit gewonnen hat.
Der technologische Vorteil der amerikanischen Kriegsführung wirkte sich schon nach wenigen Wochen der Besatzung nicht mehr aus, erkennt der Professor und bilanziert: "Es geht schon längst nicht mehr um Demokratie (...), sondern um die Schaffung eines Zustandes der physischen Sicherheit" - für US-Soldaten und Iraker.
Monotonie hat sich eingeschlichen: Ob im Irak an einem Tag 60 Menschen von Bomben zerfetzt werden oder gar 90 - lösten solche Meldungen früher Erschütterung, vorübergehend sogar Trauer aus, so fügen sie sich inzwischen routinehaft in das Nachrichtentableau ein. Aufmerksamkeit und Anteilnahme erweckt nicht mehr die Zahl der Toten, sondern eher über das tägliche Morden hinausgehende Ereignisse wie eine zerbombte Moschee oder verwahrloste Waisenkinder, die kurz vor dem Verhungern gerettet werden.
Die zur Gleichgültigkeit führende Monotonie macht vergessen, dass über 130.000 US-Soldaten in einem fremden Land stehen, dessen Zerfall sie aufhalten sollen, auch wenn von Wiederaufbau die Rede ist. Soldaten, die unter ständiger Lebensgefahr patrouillieren, die mit Irakern zusammenarbeiten sollen, aus deren Mitte sie angefeindet und schlimmstenfalls angegriffen werden. Nun ist auch diese Beobachtung des Politologen Herz, der für das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" für vier Wochen über den Jahreswechsel in den Irak gereist war, inzwischen Allgemeingut. Wie so vieles, womit der Erfurter Professor aus der sicheren Mitte der Militärcamps heraus seinen Computer fütterte und zudem noch seitenlange Exkurse über historische Schlachten einfließen ließ.
Dem hohen Anspruch, die Realität des IrakKrieges aus eigener Anschauung zu beschreiben und "seine ganze Dimension zu begreifen", wird Herz nicht gerecht, kann er bei einem 30-tägigen Aufenthalt vor Ort gar nicht gerecht werden. Der "Süddeutschen Zeitung" bleibt die unzulängliche Verwirklichung einer originellen Idee. Sie muss sich auch fragen lassen, wem ein "Schnellschuss" dient, dessen reportagehaften Ansätze sogleich wieder in langatmigen historischen Betrachtungen, Parallelen, Analysen und Zitaten enden.
Ein Hubschrauberflug über Feindesland wäre eine gute Gelegenheit gewesen, über das Verhalten und die Befindlichkeit der jungen Soldaten zu berichten. Doch der Versuch des Professors bleibt halbherzig, abrupt widmet er sich lieber dem traditionellen Verhältnis der Amerikaner zu ihrer Armee, und als er erfährt, dass er der 82nd Airborne Division zugeteilt wird, liegt für Herz nichts näher, als ihre glorreiche Geschichte von der Landung in der Normandie bis zur Schlacht in den Ardennen über mehrere Seiten nachzuzeichnen. Mit der Front im Irak hat dies nichts zu tun.
Der Politikwissenschaftler ist dann am besten, wenn er zu deutlichen Schlussfolgerungen gelangt: Die Stärke der Verbände reicht nicht aus, um militärische Erfolge dauerhaft abzusichern und mit dem Wiederaufbau ziviler Einrichtungen zu beginnen. Eine Befriedung ist somit nicht zu erreichen. Dies um so weniger, als irakische Soldaten und Polizisten zur Unterstützung nicht ausreichend in der Lage sind. "Die amerikanische Strategie scheint mir in einer Sackgasse zu sein", resümiert Herz. Ein auf punktuelle militärische Erfolge gerichtetes Denken, das die Situation danach nicht bedacht hat, rächt sich heute im Irak. Die jungen Soldaten werden zu Objekten der hilflosen Strategie der Bush-Regierung.
Die Amerikaner im Krieg. Bericht aus dem Irak im vierten Kriegsjahr.
Verlag C.H. Beck, München 2007; 156 S., 17,90 ¤