BUNDESPOLIZEI
Die Novelle ist beschlossen. Auch Dank der Koalitionsräson der SPD.
Beim zweiten Versuch hat es nun doch geklappt. Mit den Stimmen der Koalition ist am 25. Januar das Gesetz zur Reform der Bundespolizei ( 16/6291) entsprechend einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses ( 16/7871) verabschiedet worden. Damit kann die Reform am 1. März in Kraft treten. Was nun mit den Stimmen von CDU/CSU und der SPD beschlossen wurde, war auch in der Koalition lange umstritten. Eigentlich hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) den 1. Januar 2008 als Starttermin vorgesehen. Mit dem Jahreswechsel sollten die bisher fünf Bundespolizeipräsidien, unter denen das ganze Bundesgebiet in Nord, Ost, Mitte, Süd und West aufgeteilt war, abgeschafft und die operative Führung der Bundespolizei durch das neue Bundespolizeipräsidium in Potsdam übernommen werden. Neun neue regionale Bundespolizeidirektionen sollten an die Stelle der bisherigen 19 Bundespolizeiämter treten. Außerdem war vorgesehen, die bisherigen 128 Inspektionen auf 67 Bundespolizeiinspektionen zu reduzieren. Hinzu sollten neun speziell auf Kriminalitätsbekämpfung ausgerichtete Bundespolizeiinspektionen kommen. Eine neue zentrale Direktion für die Bereitschaftspolizei sollte zudem in Fuldatal eingerichtet werden.
Doch die Planungen gerieten ins Stocken. Der Innenausschuss meldete Diskussionsbedarf an und beschloss, am 14. Januar eine Expertenanhörung zu dem Thema stattfinden zu lassen. Der Reformstart zu Jahresbeginn war damit vom Tisch - sehr zum Ärger der Union. Die besagte Anhörung schaffte dann keineswegs die gewünschte Klarheit. Das Bundesinnenministerium (BMI) sah sich in seinen Ansichten ebenso bestätigt wie die Kritiker der Reform. Auch bei der SPD überwog zunächst die Skepsis. Innenexperte Dieter Wiefelspütz wurde mit den Worten zitiert: "Der 1. März ist unrealistisch." Drei Tage später sah er den Termin auf Nachfrage als "durchaus möglich" an. Kleinere Änderungen im Gesetz, überwiegend bei Besoldungsfragen, und ein Entschließungsantrag, der neben der Beachtung der Sozialverträglichkeit auch eine Berichtspflicht des BMI über Umsetzung und Ergebnisse der Neuorganisation vorsieht, hatten der SPD wohl die Zustimmung erleichtert.
Dass es einer Neuorganisation der Bundespolizei bedarf, ist unumstritten. Die Erweiterung des Schengen-Abkommens und der damit verbundene Wegfall der Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien sind ein Grund - die veränderte sicherheitspolitische Lage ein anderer. Für Dieter Wiefelspütz liegt es daher auf der Hand, dass dies nicht die letzte Reform sein wird. "Die Bundespolizei muss für einen permanenten Reformprozess bereit sein", so Wiefelspütz. Aufgaben und Sicherheitslagen würden sich immer wieder ändern. Das Parlament könne dabei lediglich grobe Strukturen festlegen. Die konkrete Ausgestaltung liege beim BMI, das betreffe auch die Standortentscheidungen.
Mit "schwerem Herzen" und "voller Zweifel an manchen Stellen" würden die Sozialdemokraten der Novelle zustimmen, sagte SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann während der Debatte im Bundestag. "Die Koalitionsräson spielt dabei eine große Rolle", räumte er ein. Einig mit dem Koalitionspartner sei man sich jedoch in den Zielen der Reform: schlankere und effizientere Strukturen und mehr Polizei in der Fläche. Vom BMI erwarte er, dass der vorgelegte Entschließungsantrag ernst genommen wird. Von einer "missglückten" Reform sprach Silke Stokar von Neuforn (Bündnis 90/Die Grünen). Anstatt die Novelle "durchzupeitschen" sei es besser, dem Antrag ihrer Fraktion zur Einsetzung einer Polizeireformkommission ( 16/3704) zu folgen, was die Abgeordneten jedoch mehrheitlich nicht taten. Die Innenexpertin kritisierte das Verhalten der SPD, die sich wider besseres Wissen der Koalitionsräson gebeugt hätten. Stokar sprach sich auch gegen den "überdimensionierten" Zuschnitt des neuen Bundespolizeipräsidiums in Potsdam aus. Innenminister Schäuble, so ihre Vermutung, wolle ein neues politisches Machtzentrum nahe am Bundesinnenministerium haben. Viele Mitarbeiter müssten aus diesem Grund ihren Arbeitsplatz wechseln.
Einer der betroffenen Mitarbeiter ist Thomas Hauschild. Er arbeitet gemeinsam mit 500 Kollegen in der Bundespolizeidirektion in Koblenz und soll nun nach Potsdam umziehen, in das neue Bundespolizeipräsidium. Seine Begeisterung hält sich in Grenzen. "Für mich als Familienvater mit Eigenheim ist das eine denkbar ungünstige Konstellation", so Hauschild. Das SPD-Mitglied hatte bis zuletzt gehofft, dass seine Partei die Reform stoppen könnte - umsonst. Nun bleibt die Hoffnung auf eine sozialverträgliche Lösung. Dafür will auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kämpfen. Der verabschiedete Entschließungsantrag, sagt der GdP-Vorsitzende Josef Scheuring, könne Basis für die Durchsetzung einer möglichst sozialverträglichen Umsetzung der Neuorganisation sein. Die unverbindlichen Formulierungen des Antrags allerdings seien für dieses Ziel nicht besonders hilfreich.
"Enttäuscht", so Scheuring im Gespräch mit dieser Zeitung, "kann man nur sein, wenn man sich einer Täuschung hingegeben hat." Ihm sei nach einem Gespräch mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck schon relativ früh klar gewesen, dass sich die Sozialdemokraten nicht gegen Schäuble stellen werden. Diejenigen, die bei den von der Neuorganisation betroffenen Kollegen durch ihre Erklärungen und ihr politisches Verhalten falsche Hoffnungen und Erwartungen erweckt haben, hätten sich, aber vor allem auch den Menschen in der Bundespolizei, damit keinen Gefallen getan, so Scheuring.
Über das Ende des "Schwebezustandes" freut sich der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Christoph Bergner (CDU). Die Zustimmung des Bundestages bringe für die Beschäftigten dringend benötigte Klarheit. Die Novelle sei ein wichtiger Bestandteil der Neuorganisation, aber eben nur ein Bestandteil. Den Rest werde man im BMI zusammenfügen. Dabei, so versprach Bergner, werde man, wie vom Innenminister zugesagt, das "sozialverträglich Möglichste" durchsetzen und sich an den Entschließungsantrag halten. Der wiederum ist aus Sicht der FDP "das Papier nicht wert, auf dem er steht". Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Gisela Piltz, kritisiert sowohl die zu weich gefassten Regelungen zur Sozialverträglichkeit als auch den in die nächste Legislaturperiode geschobenen Termin für eine Evaluation der Reform.
Von einer "groben Missachtung des Parlamentes" sprach Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) angesichts der Tatsache, dass schon vor Verabschiedung der Novelle durch den Bundestag im BMI an der Durchführung der Reform gearbeitet wurde.