Gesellschaft
Die Unkultur der Unterbrechung
Sie halten das Mobiltelefon zu, formen lautlos die Worte "Es ist dringend. Was Geschäftliches" und stapfen vom Strand. In den Kinofilmen sind sie immer die Bösen: Väter, die im Sommerurlaub Bürokram erledigen statt mit ihren Kindern Sandburgen zu bauen. Am Ende sind sie reuig und schwören geläutert, dass ab nun alles anders werde.
Handys, E-Mails, Palms, jetzt das iPhone: Kommunikation ist mittlerweile immer und überall möglich. Dass das nicht nur positive Folgen haben kann, ist offensichtlich. Mit "Das Glück der Unerreichbarkeit" liefert die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel einen Überblick über Rahmenbedingungen, Motive und Konsequenzen dieses Phänomens.
Das Thema lag in der Luft. Erst gab einem die Bundeskanzlerin den Rat, im Jahr 2007 doch öfter mal das Telefon auszuschalten. Im Spätsommer fand eine Forsa-Umfrage heraus, dass die Deutschen einen Großteil ihrer Arbeitszeit damit verbringen, E-Mails zu lesen und zu beantworten. Große Unternehmen wie Nestlé führten den E-Mail-freien Freitag ein, Softwarefirmen brachten Programme auf den Markt, die die E-Mail-Flut nur tröpfchenweise durchlassen - just in jener Phase erschien Meckels Buch.
Ihre "Wege aus der Kommunikationsfalle" fügen sich nahtlos ein in die Riege jener Ratgeber, die die heutige Arbeitsgesellschaft als eine Kaste von Job-Nomaden ausweist. Information und Mobilität seien neue Formen der Macht, stellt Meckel fest, ihre Überschriften lauten "Information Overload", "Homo Connectus" oder "Die Immer-Mehr-Gesellschaft". Der Druck, den die ständige Erreichbarkeit mit sich bringt, ist die eine Seite, die andere ist das zunehmende Defizit an Aufmerksamkeit, sei es in Konferenzen, bei Arbeitsessen oder im Urlaub. Meckel spricht von der "Unterbrechungs-Unkultur". Im Grunde sagt Meckel also nichts Neues. Sie nennt es nur ausnahmsweise beim Namen. Und zwar aus der einzigen Perspektive, die in diesem Zusammenhang Sinn macht: die der Kommunikationswissenschaften. Die launigen Alltagstipps wie "Wir müssen Prioritäten setzen" hätte sie sich allerdings sparen können.
Das Handy abzuschalten sei nur ein Anfang, meint Miriam Meckel. "Der Einzelne muss die Fähigkeit entwickeln, die eigene Position in der modernen vernetzten Gesellschaft zu finden und zu definieren." Kommunikation brauche schließlich Qualität - und Qualität brauche Zeit. Der letzte Satz lautet konsequenterweise: "Ich bin dann mal da."