Slowakei
Ein Pressegesetz kann zum Stolperstein für den Lissabonvertrag werden
Ein handfester Streit in der slowakischen Innenpolitik bringt die Unterzeichnung des EU-Vertrags in Gefahr. Die Opposition in Bratislava droht damit, die Abstimmung im Parlament zu blockieren. Hintergrund ist ein umstrittenes Pressegesetz, das die Regierung vorgelegt hat. Mit ihrem Boykott des EU-Vertrags, der ursprünglich noch während der slowenischen Ratspräsidentschaft EU-weit angenommen werden sollte, will die Opposition das geplante Pressegesetz verhindern, an dem auch internationale Organisationen massive Kritik geäußert haben. Erst wenn die Regierung entscheidende Änderungen daran vornehme, heißt es bei den Oppositionsparteien, werde man den EU-Vertrag unterstützen, für den im Parlament eine Drei-Fünftel-Mehrheit erforderlich ist.
Hintergrund des Streits ist ein lange schwelender Konflikt zwischen der konservativen Opposition und der Regierungskoalition, die aus Linkspopulisten und Rechtsextremen besteht. Beide Seiten vertreten strikt gegensätzliche Positionen zum künftigen Kurs der Slowakei. Premierminister Robert Fico, der durch seine Koalition mit den Nationalisten auf europäischer Ebene isoliert ist, plant eine massive Erhöhung der Sozialausgaben. Dabei geht er auf Distanz zu den als neoliberal geltenden Wirtschaftsreformen seines konservativen Amtsvorgängers Mikulas Dzurinda.
Nachdem in der Vergangenheit bereits mehrere Misstrauensanträge gegen Premierminister Robert Fico gescheitert sind, ist die demonstrative Blockade des EU-Vertrags die jüngste Eskalationsstufe in den parteipolitischen Auseinandersetzungen. Regierungschef Fico kritisierte das Junktim zwischen Innen- und Außenpolitik aufs Schärfste. "Was um Himmels Willen hat der EU-Reformvertrag mit dem Pressegesetz zu tun? Wer hat sich so etwas ausgedacht", sagte er in einer Stellungnahme vor slowakischen Journalisten. Der Schritt füge der Slowakei auf dem internationalen Parkett erheblichen Schaden zu.
Die Opposition indes verteidigt ihr Vorgehen. Christdemokrat Dzurinda bekräftigte, dass seine Partei den EU-Vertrag inhaltlich voll unterstütze. "Der Lissabonvertrag ist nicht gefährdet. Gefährdet ist das Niveau der Demokratie bei uns in der Slowakei." Er spielt damit auf das geplante Pressegesetz an. Selbst der Medienbeauftragte der OSZE hat gegen den Gesetzentwurf protestiert, weil er mit der staatlichen Verpflichtung zum Schutz der Pressefreiheit nicht vereinbar sei.
Besonders umstritten ist der Paragraf, der jedem das Recht auf eine Gegendarstellung einräumt, der sich durch eine Berichterstattung in seiner Ehre, Würde oder Privatsphäre verletzt fühlt --unabhängig davon, ob er sich im Recht befindet. Außerdem sind hohe Geldstrafen für Journalisten und Verlage vorgesehen. Vergleichbare Regelungen gibt es zwar auch in anderen europäischen Ländern, allerdings sind Gegendarstellungen dort an strikte Bedingungen geknüpft. Bekäme der slowakische Premierminister Fico eine Mehrheit für seinen Gesetzentwurf, würden in vielen medienrechtlichen Streitfragen künftig nicht mehr die Gerichte entscheiden, sondern eine Kommission des Kulturministeriums. Das sei schlicht inakzeptabel, klagen Journalistenverbände. Sie sehen in dem geplanten Pressegesetz ein Instrument Ficos, um gegen negative Schlagzeilen zu seiner Politik vorgehen zu können.
Das Verhältnis des Premierministers zu den slowakischen Medien gilt schon seit langer Zeit als gestört. Fico fühlt sich von den Journalisten regelmäßig missverstanden. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit etwa kündigte er an, nur noch Journalisten von der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt mit auf seine Auslandsreisen zu nehmen.
Ein Ende des politischen Tauziehens um den EU-Vertrag ist derzeit nicht abzusehen. Änderungen am Pressegesetz lehnt Fico bislang kategorisch ab. Die Opposition indes beharrt auf ihrem Boykott des EU-Regelwerks, falls keine tiefgreifenden Änderungen an der Novelle des Mediengesetzes vorgenommen werden. Anders als mit der Verbindung von Innen- und Außenpolitik, so heißt es, lasse sich das umstrittene Pressegesetz nicht verhindern.