Korea-Krieg
Jörg Friedrich erinnert an einen vergessenen Konflikt - viel Neues hat er jedoch kaum zu berichten
Er kostete mehreren Millionen Menschen das Leben und die Vereinigten Staaten von Amerika etwa 54 Milliarden US-Dollar. Und brachte statt Siegern einen beschleunigten Rüstungswettlauf zwischen den USA und der UdSSR hervor, der erst Ende der 1980er-Jahre ausgebremst wurde. Die Rede ist vom Korea-Krieg, den der "bestsellernde" Populärhistoriker Jörg Friedrich ("Der Brand") ein gutes halbes Jahrhundert später der Vergessenheit entreißen möchte. Schließlich sei die "Pazifikfront im deutschen Sprachraum nahezu inexistent", behauptet der gern mit provokanten Thesen und Schlussfolgerungen jonglierende Autor.
Die Ankündigung eine erste "Gesamtdarstellung" dieses Waffengangs zu liefern, macht sich für den Verkauf eines Buches immer gut. Doch leider stimmt sie nicht. Denn mit der ebenso konzisen wie präzisen Studie des Zeithistorikers Rolf Steininger liegt bereits seit mehr als einem Jahr eine äußerst lesenswerte Monografie ("Der vergessene Krieg"; Olzog-Verlag) zum Thema vor. Was von Friedrichs monumentalem Kriegsporträt nicht unbedingt gesagt werden kann, da er sich in seinem fakten- und meinungsübersättigten Werk nicht selten in kriegstechnischen und militärstrategischen Details verliert oder den komplexen Stoff allzu sprunghaft abschreitet.
Auf eine klar komponierte Darstellung der Ursachen, Ereignisse und Folgen dieses in der Tat "vergessenen Krieges" darf man nicht hoffen. Vielmehr erwartet den interessierten Laien eine sprachlich wie gedanklich oftmals aufgeblasene Schilderung hinreichend bekannter Fakten. Weder die auf fast 200 Seiten ausgebreitete Vorgeschichte noch der über 350 Seiten starke Hauptteil vermögen ein wirklich neues Licht auf das dunkle Kapitel in Fernost zu werfen. Auch im deutschen Sprachraum ist ausgiebig darüber geschrieben worden, wie US-Präsident Harry S. Truman und der sowjetische Generalissimus Stalin nach 1945 machtpolitisch tickten und welche Rolle die unter ständigem Konkurrenzdruck entwickelten Kernwaffen für die beiden Siegermächte des Zweiten Weltkriegs spielten. Dass die Atombombe bereits während des Konflikts um die geostrategisch wichtigen Dardanellen und den Bosporus 1947 oder während der Berlin-Blockade 1948/49 als polit-psychologisches Druckmittel fungierten, ist ebenso historisches Gemeingut wie die Tatsache, dass ihr Einsatz während des dreijährigen Korea-Kriegs vom amerikanischen Militärstab detailliert geplant, mehrfach gefordert, aber nie realisiert wurde.
Neu ist vielmehr, wie der für seine militärhistorischen Kenntnisse gelobte Weltkriegsexperte sein vorrangig aus amerikanischen Studien erworbenes Wissen aufbereitet. Friedrich imponiert nicht nur mit eindrucksvollen Zahlen zur Sprengkraft von Atombomben, zur Truppenstärke der Kombattanten oder zu den hervorragenden Flugeigenschaften des russischen und amerikanischen Fluggeräts. Nein, er kommentiert politische und militärische Operationen oder Planungen auch mit fernöstlich angehauchten Kriegsweisheiten wie: "Ein Krieg aber ist nicht zu gewinnen, indem man es mit der Stärke des Feindes aufnimmt" oder "Die Grenzen zum Waffengang sind Wahrnehmungsgrenzen". Auch mit seinen angestrengt originellen Wendungen und Wortschöpfungen à la "Expansion in Scheiben" oder "teutonischer Nacktangriff" schmeicheln mehr seinem schriftstellerischen Ego als dass er damit das historische Verständnis seiner Leser weckt.
Gleichwohl weiß Friedrich die katastrophale Kraftprobe zwischen Ost und West am chinesisch-koreanischen Grenzfluss Yalu und dem 38. Breitengrad ebenso plastisch wie detailliert in Worte zu fassen. Auch die oftmals dialogisch dargebotenen Verhandlungen und Überlegungen der jeweiligen Kriegsherren spitzt Friedrich im entscheidenden Moment dramatisch zu. Insofern gelingt ihm stellenweise ein fesselndes Porträt dieses Konflikts und ihrer wichtigsten militärischen und politischen Akteure.
Ein wirklich umfassendes und klar konturiertes Bild des Kalten Kriegs liefert er indes nicht. Friedrich geht den Krieg im Pazifik vielmehr monothematisch an und deutet ihn als "Vulkan, der wie wir heute erst zu sehen vermögen, die Achse der Weltgeschichte drehte". Seither sei "das Verhältnis der Hemisphären ein anderes geworden", urteilt er vollmundig. Doch um dies zu beweisen, hätte es eines solch ausufernden Rückblicks kaum mehr bedurft. Zumal er fast ausschließlich die militär- und diplomatiehistorischer Perspektive einnimmt und andere entscheidende Aspekte für die Verhärtung des Ost-West-Konflikts ausblendet. So hätten etwa die wirtschaftlichen Folgen dieses Krieges ("Koreaboom") oder seine kritische Wahrnehmung in der Öffentlichkeit stärker fokussiert werden müssen. Schließlich bestimmten diese Faktoren nicht unerheblich alle weiteren und machtpolitisch immer etwas anders gelagerten Stellvertreterkriege zwischen der Sowjetunion und den USA.
"Die Geschichte bietet Muster für jede erdenkliche Lage", resümiert der selten um eine Weisheit verlegene Autor. Doch auch wenn mit der Atombombe heute und gerade von Amerika und Russland noch mächtig Politik betrieben wird, für die multipolare und von verstreuten Terrorgruppen bedrohte Weltordnung unserer Tage bieten weder der Korea-Krieg noch sein wortgewaltiger Interpret hilfreiche Lehren oder Erkenntnisse.
Yalu. An den Ufern des dritten Weltkrieges.
Propyläen Verlag, Berlin 2007; 624 S., 24,90 ¤