ERBSCHAFTSTEUER
Bundestag und Bundesrat stürzen sich auf den Koch-Steinbrück-Kompromiss
Die Erbschaftsteuerreform geht in die entscheidende Phase: Nach der ersten Lesung des Gesetzentwurfs am 15. Februar im Bundestag wird der Finanzausschuss am Mittwoch dieser Woche seine Beratungen aufnehmen. Sicher erscheint, dass die Regierungsvorlage ( 16/7918) im Gesetzgebungsverfahren noch geändert wird, nachdem am vergangenen Freitag auch der Bundesrat eine Reihe von Änderungswünschen angemeldet hat. Bis zum Jahresende müssen Grund- und Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen sowie nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften neu bewertet werden. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht vorgegeben, nachdem es einen Grundgesetzverstoß festgestellt hatte.
Der von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) erarbeitete Regierungsentwurf sieht hier eine Bewertung zu Verkehrswerten vor, was im Erbfall zu höheren Steuerforderungen führen würde. Als Ausgleich hatte die Arbeitsgruppe höhere Freibeträge und eine Änderung der Steuersätze beschlossen, die Erben des erweiterten Familienkreises sowie Nichtverwandte stärker als bisher belastet. Profitieren würden allerdings die Partner in eingetragenen Lebenspartnerschaften, die beim Freibetrag, nicht jedoch beim Steuersatz mit Ehepartnern gleichgestellt werden sollen. Die Maßgabe ist, dass das Steueraufkommen von 4 Milliarden Euro, das ausschließlich den Ländern zufließt, auch in Zukunft erreicht wird. Der politische Streit entzündet sich vor allem an der Vererbung mittelständischer Familienbetriebe an die nächste Generation. Pauschal 85 Prozent des Betriebsvermögens können künftig steuerfrei weitergegeben werden, wenn Arbeitsplätze zehn Jahre lang erhalten werden ("Lohnsummen-Regelung") und wenn der Betrieb mindestens 15 Jahre lang von den Erben weitergeführt wird ("Behaltensfrist"). Für die Land- und Forstwirtschaft gilt eine Behaltensfrist von 20 Jahren, dafür wird dort nach wie vor der Ertragswert und nicht der höhere Substanzwert zugrundegelegt.
Werden diese Bedingungen in den genannten Zeiträumen nicht eingehalten, lebt die Steuerschuld wieder auf. Pauschal 15 Prozent müssen in jedem Fall versteuert werden. Dadurch soll vermieden werden, dass die Abrenzung zwischen privatem und betrieblichem Vermögen bürokratisch ermittelt werden muss, wie der Minister in der Parlamentsdebatte darlegte. Wer das Steuerprivileg in Anspruch nehme, müsse dafür eine Gegenleistung erbringen, sagte Steinbrück mit Blick auf die Kritik, die vor allem an den langen Zeiträumen geübt wird. "Drei Viertel aller Unternehmen in Deutschland werden mit der Erbschaftsteuer nichts mehr zu tun haben", sagte er. Und: "Der gefundene Kompromiss ist nicht beliebig aufzulösen." Wenn das Parlament die Vorlage verändern wolle, müsse ein neuer Kompromiss gefunden werden. Hatte der Finanzminister noch die Parole "Erben wird günstiger" ausgegeben, so hieß es bei Carl-Ludwig Thiele (FDP): "Die Verlierer sind die Mittelständler." Unternehmen, die staatliche Subventionen erhalten, müssten Arbeitsplätze nur fünf Jahre lang erhalten, erbende Mittelständler hingegen zehn Jahre lang. 95 Prozent der deutschen Betriebe gehörten dem Mittelstand an, 57 Prozent aller Arbeitnehmer seien in solchen Unternehmen beschäftigt. Was auf nichtverheiratete Paare zukommen kann, die zusammen ein Haus im Wert von 240.000 Euro besitzen, machte der FDP-Politiker an einem Beispiel deutlich. Stirbt einer der beiden, erbt der andere die Haushälfte im Wert von 120.000 Euro. Da sie nicht verheiratet waren, beträgt der Freibetrag nur 20.000 Euro, 100.000 Euro sind also zu versteuern. Weil sie aber auch nicht verwandt waren, greift Steuerklasse III mit einem Steuersatz von 30 Prozent, der überlebende Partner müsste also innerhalb von 30 Tagen 30.000 Euro an das Finanzamt überweisen.
Die stark angehobenen Steuersätze der Steuerklassen II werden in den Beratungen wohl noch eine Rolle spielen, nachdem bereits aus dem Bundesrat eine Differenzierung angeregt worden war. Nach der Regierungsvorlage werden Geschwister gleich hoch besteuert wie Fremde. Auch nach Aussage von Unions-Fraktionsvize Michael Meister will man sich diesen Punkt noch einmal genauer anschauen. Bei der 15-jährigen Behaltensfrist sei zu prüfen, ob sie nicht, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, auf zehn Jahre abgesenkt werden kann. Möglicherweise kommt es auch zu einer Differenzierung, wenn nachversteuert werden muss. Danach könnte ein Verstoß gegen die Bedingungen im ersten Jahr eine höhere Steuerschuld auslösen, als wenn es erst im 14. Jahr dazu kommt. Auch eine "Dynamisierung der Lohnsummen-Regelung" sei denkbar.
Florian Pronold (SPD) warnte davor, sich die "Rosinen rauspicken" zu wollen. Derzeit belaufe sich das Steueraufkommen aus vererbtem Betriebsvermögen auf 300 Millionen Euro, das aus vererbtem Landwirtschaftsvermögen auf 20 Millionen Euro. Beides werde nicht steigen. Barbara Höll (Die Linke) beklagte, dass 98 Prozent des vererbten Vermögens hierzulande steuerfrei übergehen. Der Anteil der Erbschaftsteuer am Bruttoinlandsprodukt liege bei 0,16 Prozent, im EU-Durchschnitt seien es 0,31 Prozent. Christine Scheel (Grüne) forderte, dass die wesentlichen Eckwerte für die Ermittlung der Verkehrswerte nicht in Rechtsverordnungen stehen, sondern im Gesetz festgelegt werden.