Erneuerbare Energien
Deutsche Unternehmen erleben einen Boom - Riesenchancen auf dem Exportmarkt
Was haben Arbeitsagenturen mit der Nutzung von Wind, Sonne, Biomasse, Wasser und Erdwärme zu tun? Nun, Susanne Dietrich, Leiterin der Berufsberatung bei der Saarbrücker Arbeitsbehörde, hat aufschlussreiche Erfahrungen gesammelt: "Bei unseren Veranstaltungen in Schulen wird diskutiert, in welchen Wirtschaftszweigen man nach der Lehre wohl einen Job finden könne." Und dabei würden auch die erneuerbaren Energien thematisiert. Dietrich listet Berufe auf, die bei Rotorenherstellern, Betreibern von Windmühlen, Installateuren von Solarsystemen oder bei Wasser- und Biomassekraftwerken gefragt sind: Anlagenmechaniker, Elektroniker für Energie-, Gebäude-, Maschinen- oder Antriebstechnik, Fachkräfte für Wasserversorgung, Mechatroniker, Rohrleitungsbauer, Verfahrensmechaniker, das ist nur eine kleine Auswahl.
Dass die Jobchancen gut sind, hat mit dem ökonomischen Aufschwung regenerativer Energien zu tun. Laut Umweltministerium erzielten solche Firmen 2006 einen Umsatz von 23 Milliarden Euro. 2007 dürften es einige Milliarden mehr gewesen sein, allein im Solarsektor ist nach Branchenangaben mit sechs Milliarden statt zuvor fünf Milliarden zu rechnen. 2004 verdienten nach Angaben des Ministeriums 160.000 Arbeitnehmer bei erneuerbaren Energien ihr Geld, 2006 waren es schon an die 240.000, die Bilanz für 2007 dürfte weitere Zugewinne verzeichnen. Den Löwenanteil offerieren die Biomasse (über 90.000 Stellen), die Windenergie (80.000) und die Solarbranche (rund 50.000). Und das Ende der Fahnenstange ist keineswegs erreicht. Wegen des Klimaschutzes soll sich der Anteil von Wind, Sonne, Wasser, Biomasse und Geothermie an der Energieversorgung spürbar erhöhen, die Quote von derzeit gut 13 Prozent an den Stromkapazitäten bis 2020 auf mindestens 25 Prozent klettern. Schon heute stammen fast 30 Prozent der rund um den Erdball hergestellten Windelektrizität aus der Bundesrepublik, über 22.000 Megawatt sind in deutschen Gefilden bereits installiert.
Rolf Hempelmann meint, dass sich die Zahl der Arbeitsplätze in den nächsten zehn Jahren verdoppeln könnte. Zwar weist der Energiefachmann der SPD-Bundestagsfraktion wie sein FDP-Kollege Michael Kauch darauf hin, dass es wegen der Preissteigerungen als Folge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) oder wegen des Kohlendioxid-Emissionshandels andernorts zu Jobverlusten kommen könne. "Per saldo", so die Abgeordneten übereinstimmend, sei die Bilanz jedoch positiv. Der Boom hat vor allem mit der massiven Subventionierung durch das EEG zu tun, die Kosten werden auf die Verbraucher umgelegt. Laut Umweltministerium sind 60 Prozent der Jobs auf das EEG zurückzuführen.
Das EEG läuft weiter, der Klimaschutz erfordert weitere Investitionen: Das verheißt regenerativen Energien rosige Zeiten. Hempelmann macht "stabile Trends" aus. Frische Impulse besonders für das Handwerk ortet der Sozialdemokrat in der Wärmedämmung bei Gebäuden und beim Einsatz ökoverträglicher Energien zu Heizzwecken: "Das ist ein schlafender Riese." Der Liberale Kauch erhofft sich durch den Handel mit Grünstrom-Zertifikaten auf EU-Ebene eine Mobilisierung von Marktpotenzialen.
Allerdings sehen die beiden Abgeordneten im Inland gewisse Sättigungstendenzen heraufziehen. Man müsse "das Augenmerk verstärkt auf die Auslandsmärkte richten", mahnt Kauch. In der Tat wächst rund um den Globus ein gigantischer Exportmarkt heran: Bereits jetzt stammen nach Berechnungen der Deutschen Bank fast 40 Prozent aller Windanlagen und -komponenten der Welt aus Deutschland, ebenso jede dritte Solarzelle. Husum beherbergt die global bedeutendste Windkraftmesse, fünf der zehn größten Rotorenhersteller residieren in hiesigen Gefilden. Die Firma Repower (Hamburg) wurde vom indischen Unternehmen Suzlon gekauft, der französische Atomstromkonzern Areva übernahm die Mehrheit beim Konkurrenten Multibrid (Bremerhaven). Eon und RWE steigen mit Milliardeninvestitionen ins Geschäft mit regenerativen Energien ein. Die Produktionskapazitäten der Windkraftbranche sind ausgebucht. Hempelmann: "Der Anlagenbau explodiert, aber die Nachfrage ist noch größe.".
Einen "wesentlichen Beitrag" zur Markterschließung leistet aus Sicht Stephan Kohlers, des Chefs der Deutschen Energie-Agentur (dena), die "Exportinitiative Erneuerbare Energien". Dieses mit jährlich 14 Millionen Euro ausgestattete Programm wird von der dena im Auftrag des Wirtschaftsministeriums umgesetzt. Dazu zählen Informationen über Zielmärkte für deutsche Betriebe, Präsentationen auf Auslandsmessen oder die Ausrichtung von Geschäftsreisen für Unternehmer in Kooperation mit Auslandshandelskammern. Als "großen Erfolg" wertet Kohler das "Solardachprogramm": Die dena hat zusammen mit Firmen in 14 Staaten auf deutschen Schulen Solaranlagen installieren lassen, um so vor Ort hiesiges Know-how zu demonstrieren. Stolz ist Kohler, dass zur Einweihung eines solchen Projekts in San Salvador drei mittelamerikanische Staatspräsidenten kamen.
Hempelmann verweist darauf, dass Unternehmen, die sich in die Exportinitiative eingeklinkt haben, ihre Ausfuhrquote spürbar erhöhen konnten. FDP-Politiker Kauch verlangt indes, die Exportförderung bei regenerativen Energien generell effizienter zu handhaben: "Die Zuständigkeit ist auf das Wirtschafts-, Entwicklungshilfe- und Umweltministerium zersplittert, das müsste besser verzahnt werden." Was Kauch für Kohlers Programm vorschlägt, wird auch bei der Energieagentur überlegt: nämlich die Konzentration der Exportinitiative auf einige Schwerpunktregionen, etwa auf den Mittelmeerraum, die Arabischen Emirate und China.