Entwicklungshilfe
Fachausschuss diskutiert über neue politische Ansätze
Die meisten Menschen mit Behinderung leben in armen Ländern - mehr als 80 Prozent weltweit. Das ist kein Zufall, denn zwischen Armut und Behinderung besteht ein enger Zusammenhang. Darüber haben Behindertenverbände und Entwicklungspolitiker am 5. März in einem Expertengespräch im Ausschuss für wirtschaftiche Zusammenarbeit und Entwicklung diskutiert.
Gabriele Weigt von der Organisation "Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit" (bezev) und Rita Esser von der Christoffel-Blindenmission (CBM) verdeutlichten das Problem am Zahlenmaterial: Nur ein bis zwei Prozent der Menschen mit Behinderung hätten Zugang zur medizinischen Rehabilitation, 98 Prozent der Kinder mit Behinderung in Entwicklungsländern besuchten keine Schule, nur ein Prozent aller behinderten Frauen und drei Prozent der behinderten Männer weltweit könnten schreiben und lesen, 80 bis 90 Prozent der Behinderten weltweit seien arbeitslos.
Esser und Weigt wandten sich an den Ausschuss mit einem Forderungskatalog. Sie schlugen unter anderem vor, mindestens zehn Prozent der vorgesehenen Erhöhung der ODA-Quote (Anteil der öffentlichen Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit am Gesamtetat) für die Förderung der Behinderten in den Entwicklungsländern bereitzustellen und die Position eines Beauftragen für Belange von Menschen mit Behinderungen "bei allen relevanten Akteuren" zu schaffen. Die Linksfraktion und die Grünen unterstützten die letzte Forderung. "Eher skeptisch" sah dies die Parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfeministerium (BMZ) Karin Kortmann (SPD), die sich auch klar gegen eine zehnprozentige Erhöhung der ODA-Quote für die Behindertenarbeit stellte. Dies würde zu einer Segmentierung der Entwicklungspolitik nach Zielgruppen führen und dem auch von den Behindertenorganisationen geforderten ganzheitlichen Ansatz widersprechen. Das BMZ habe 2006 in Zusammenarbeit mit Behindertenorganisationen ein Konzept entwickelt, das sich von der bisherigen rein medizinischen und wohltätigen Sicht auf dieses Problem distanziere und einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz verfolge.
Als positiv bewertete Esser die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die im Dezember 2006 verabschiedet wurde. Das sei ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik. Die SPD warnte in diesem Zusammenhang, sich allzu sehr auf die Konvention allein zu verlassen. Die FDP forderte einen Mentalitätswandel in den Entwicklungsländern. Dort werde Behinderung oft als ein gottgegebenes Schicksal betrachtet. Auch die Union wies auf das Problem der Stigmatisierung und Ausgrenzung von Behinderten in armen Ländern hin.