Wer Hans-Joachim Stelzl zuhört, könnte ihn zunächst für den Verwaltungschef einer deutschen Kleinstadt halten. "Wir sind hier über 6.000 Menschen", sagt er: "Wir haben ein Postamt, eine Polizeiwache, ein Reisebüro, eine Kita, zwei Ärzte, zehn Restaurants und Kantinen, zwei eigene Kraftwerke". Eine umfassende Infrastruktur also - allerdings geht es hier nicht um eine Gemeinde: Die 6.000 Leute arbeiten im und für den Deutschen Bundestag: Es sind 612 Parlamentarier und ihre Mitarbeiter, die Teams um die Fraktionen und nicht zuletzt die Bundestagsverwaltung mit rund 2.600 Beamten und Angestellten. An deren Spitze steht Stelzl als "Direktor beim Deutschen Bundestag".
Dass die vielschichtige Arbeit der Verwaltung anders als die des Parlaments von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, stört den Juristen Stelzl nicht. Sein Haus soll die Parlamentarier effektiv in ihrer Arbeit unterstützen und nicht selber im Rampenlicht stehen. "Die Aufgaben der Abgeordneten sind immer komplexer geworden. Wir leisten wichtige Zuarbeit", sagt er. Die Verwaltung mache keine Politik, betont Stelzl, sondern schaffe die Voraussetzung dafür, dass Politik gemacht werden könne.
In den Referaten werden unter anderem die Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse vorbereitet und Informationen für Abgeordnete aufbereitet. Vorrechte für die etablierten Parteien existieren dabei nicht. "Jeder Abgeordnete hat das gleiche Recht auf aktive Zuarbeit", betont Stelzl, egal welcher politischer Couleur sie oder er sei. Eng verzahnt, Hand in Hand und vertrauensvoll, nur so kann die Kooperation zwischen Verwaltung und Parlament funktionieren, und so wird sie Tag für Tag auf vielen Ebenen praktiziert. Die einzelnen Referate arbeiten intensiv mit den Abgeordneten und Fraktionen zusammen, Hans-Joachim Stelzl wiederum hält an der Spitze des Apparats engen Kontakt zum Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Dessen Aufgabe ist bekanntlich, das Parlament zu leiten, "und ich bin sein Berater in Verwaltungsfragen", sagt der promovierte Jurist. Jede Sitzungswoche besprechen der Präsident und sein Direktor aktuelle Verwaltungsangelegenheiten und bereiten die Sitzungen des Präsidiums und des Ältestenrates vor. Auch wenn Personalentscheidungen im höheren Bereich anstehen, setzen sie sich an einen Tisch. Das letzte Wort hat der Bundestagspräsident, denn ihm untersteht die Verwaltung. Die Vorschläge dazu unterbreitet ihm der Verwaltungschef. Es ist ein Vertrauensverhältnis, und der Bundestagspräsident weiß, dass Hans-Joachim Stelzl "seine" Behörde in- und auswendig kennt.
"Ich bin ein Scharnier zwischen Verwaltung und Parlament, da darf nichts knirschen," sagt der Direktor. Reibungs- und geräuschlos, das ist Stelzls Idealvorstellung seiner Arbeit, seine unaufgeregte und bodenständige Art kommt ihm dabei zugute. Vielleicht hat sie ihren Ursprung in seiner Herkunft. Vor 34 Jahren kam der gebürtige Bayer von der Landesverwaltung in München zum Deutschen Bundestag nach Bonn. Elf verschiedene Funktionen hatte er bereits durchlaufen, als er 2006 zum Direktor berufen wurde. "Geplant habe ich diese Karriere nicht", sagt Stelzl, aber er freue sich jeden Tag auf seine Arbeit. Es liege ihm, Entscheidungen zu fällen, bekennt der "Berliner mit Migrationshintergrund". Kein Tag sei wie der andere, das sei der große Vorteil des Parlamentsbeamten, der "am Puls der Politik" arbeite.
Zu Stelzls Aufgaben gehören auch regelmäßige Treffen mit Parlamentsdirektoren aus den Bundesländern und aus dem Ausland. "Ich finde es immer spannend zu hören, wie andere ihre Verwaltung organisieren", sagt er. Und so manches Mal ist der Rat aus Deutschland gefragt, beispielsweise bei jungen Demokratien in Mittel-Osteuropa. Da gehe es oft um grundlegende, selbstverständlich erscheinende Dinge, etwa um die Frage: Wie organisiere ich eine Ausschusssitzung und welche Regeln gelten dafür, erzählt Stelzl. "Wir haben 60 Jahre Parlaments- und Demokratieerfahrung und geben die gerne weiter." Derzeit reisen etwa einige pensionierte Beamte der Bundestagsverwaltung in den Kosovo, um während der Gründungsphase zu helfen. Ein solcher Austausch sei beileibe keine Einbahnstraße. "Es gibt immer Dinge, die wir von den Kollegen aus den deutschen Länderparlamenten und dem Ausland lernen können", sagt Stelzl.