Terrorismus in Deutschland
Eine sachkundige und kompromisslose Position
Eine Woche bevor das Buch der Journalistin Annette Ramelsberger in die Buchhandlungen kam, erregten deutsche Tageszeitungen mit Schlagzeilen wie "Al-Qaida plant Anschlag in Deutschland" oder "Entscheidung für Anschlag in Deutschland ist gefallen" die Aufmerksamkeit. Den Sicherheitsbehörden lagen neue Erkenntnisse über militante Islamisten hierzulande vor und warnten die Öffentlichkeit zum wiederholten Mal vor einem Anschlag. Besorgt zeigten sie sich zudem darüber, dass die Fundamentalisten im Internet jetzt auch auf Deutsch für ihren "Dschihad" werben.
Auch wenn der Ton solcher Berichte alarmistisch klingt, würde kein vernünftiger Mensch nach den Tragödien vom 11. September 2001 sowie den Terrorakten in Madrid, Moskau und London von einer gezielten Panikmache sprechen, obwohl die veröffentlichten Informationen nicht einem unmittelbar bevorstehenden Terroranschlag galten. Nach wie vor lautet die Frage nicht ob, sondern wann ein Angriff Deutschland treffen wird. Laut Innenministerium haben das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter derzeit 184 Ermittlungsverfahren gegen militante Islamisten eingeleitet, während 70 Personen als "Gefährder" rund um die Uhr von der Polizei observiert werden. Im Umfeld dieser Extremisten befinden sich weitere 170 "relevante Personen", die die Polizei ebenfalls im Auge behält.
Deutschland hat sieben Mal Glück gehabt: Die vorbereiteten Terroranschläge wurden entweder von den professionell agierenden Sicherheitsbehörden bereits im Vorfeld verhindert oder die Angriffe schlugen fehl - wie im Fall der beiden libanesischen Kofferbomben-Attentäter.
Auffällig kritisch bewertet Annette Ramelsberger, dass in der Bevölkerung "die Aufmerksamkeit für die Gefahr" jeweils nur kurz anhalte: "Die Mehrheit flüchtet sich jedes Mal schnell wieder in den kollektiven Selbstbetrug", bemängelt die Journalistin. Verständlich wäre ihre Frustration jedoch allenfalls mit Blick auf jene Politiker, die die Appelle der Sicherheitsbehörden nach verschärften Gesetzen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht ernst genug nehmen. Das "Volk" sollte hingegen auf keinen Fall in einem permanenten Angstgefühl vor unmittelbar bevorstehenden Terroranschlag leben. Denn genau diese Furcht versuchen die Islamisten in den von ihnen verhassten demokratischen Gesellschaften zu schüren.
Ähnlich wie Soldaten, die nach ihrer Rückkehr aus einem Kriegsgebiet ihre traumatischen Erlebnisse verarbeiten müssen, müht sich auch Annette Ramelsberger, ihre Erfahrungen als Beobachterin der Terror-Prozesse in Deutschland zu bewältigen. Mit ihrem hervorragend recherchierten und geschriebenen Buch "Der Deutsche Dschihad" hat sie die zurzeit beste zusammenfassende Darstellung der bekannten terroristischen Aktivitäten der Islamisten hierzulande vorgelegt. Die für die "Süddeutsche Zeitung" arbeitende Journalistin widmete jedem nennenswerten Fall ein eigenes Kapitel. Darin berichtet sie über die Personen, ihren speziellen Weg zum Dschihad, die Hintergründe des geplanten Anschlages und lässt diese zudem von den ermittelnden Sicherheits- und Polizeibehörden analysieren.
In der abgeschotteten Welt der Terrorprozesse sah die Autorin unzählige Gewaltvideos, in denen unschuldige Menschen geköpft werden. Aufgrund dieser Erfahrungen beschloss sie, ihren Lesern deutlich zu machen, dass der "Heilige Krieg" Deutschland längst erreicht hat. Ihr lesenswertes Buch weist eindringlich auf die Gefahr einer Radikalisierung der moslemischen Jugendlichen hin, sollte der Staat nicht härter gegen das "Second Live" der Dschihadisten im Internet vorgehen. Annette Ramelsberger versteckt sich nicht hinter der Weitergabe von Tatsachen oder der Meinung ihrer Gesprächspartner, sondern empfiehlt sich durch ihre sachkundige und kompromisslose Position.
Der deutsche Dschihad.
Econ Verlag, Berlin 2008; 223 S., 16,90 ¤