Terrorismus in Asien
Eine Analyse und ihre höchst bedenkliche Quellenlage
Die zunehmende Gefahr eines islamistischen "Heiligen Kriegs" in Russland und China ist das Thema des neuen Buches von Berndt Georg Thamm - und sein Lamento lautet: Der Westen handelt gegenüber Moskau und Peking grob fahrlässig, wenn er deren Kampf gegen den Terrorismus nicht weiter beachte. Wir "sollten die Einschätzungen und Mahnungen aus dem einst kommunistischen Eurasien und der sozialis- tischen Volksrepublik nicht nur zur Kenntnis, sondern mehr als ernst nehmen", mahnt der Journalist. "Die Perspektive des Ostens dem Westen näherbringen", sei sein Anliegen. Dazu gehört offensichtlich auch die Angst Chinas vor einer möglichen Sezession der Provinz Xinjiang.
Langatmig berichtet Thamm über die terroristischen Aktivitäten der Tschetschenen und über diverse Terror-Organisationen wie die Moslembruderschaft, Hizb ut-tahrir, Al-Qaida und die Taliban in Afghanistan. Das alles ist seit langem in besser recherchierten, wissenschaftlichen und journalistischen Veröffentlichungen nachzulesen. Davon können auch die vielen Details und 345 Fußnoten nicht ablenken, auf die sich Thamm stützt. Tatsächlich beschränkt sich der Autor darauf, möglichst viele Fakten aus deutschsprachigen Quellen zusammenzutragen. Wo Thamm sich jedoch an Analyse und Kommentar versucht, scheitert er. Das zeigt sich an seinen Ausführungen, dass "der Westen" kein Interesse an der Entwicklung Eurasiens habe und die Rolle der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zuerst nicht richtig habe einschätzen können sowie an seiner kritiklosen Wiedergabe politisch-propagandistischer Zitate aus dem Programm der SOZ.
Der Autor, der im Fernsehen als Terrorismus-Experte auftritt, ist mit dem Thema des Buches schlicht überfordert. Dies belegen insbesondere seine Ausführungen über die Volksrepublik China. Ein aufmerksamer Leser wird schnell die Handschrift des Militärattachés der chinesischen Botschaft in Deutschland erkennen: So heißt beispielsweise in einer Fußnote: "zit. n. Manuskript ‚Tatsachen über die Anstiftung, Unterstützung und Teilnahme an Terroranschlägen durch die ostturkistanischen Organisationen' (unveröffentlichtes Manuskript, Botschaft der VR China in Deutschland, Berlin September 2003)". Hat Thamm diese "Tatsachen" überprüft?
Der Autor betont in seiner Danksagung, dass "gerade die Bereitschaft der chinesischen Gesprächspartner mehr als groß" war, ihn zu unterstützen. Wobei sein "größter Dank" dem stellvertretenden Verteidigungsattaché der Botschaft der VR China in Berlin, Oberst im Generalstab C. Chuan, gilt, der dem Autor vier Jahre lang zur Seite stand. Dabei müsste sich eigentlich Peking bei Thamm bedanken. Denn über sein Buch ist es dem chinesischen Staat gelungen, seine Propaganda in Bezug auf die Provinz Xinjiang zu verbreiten.
Kritiklos übernimmt der Autor Pekings Sichtweise auf die Verfolgung der Menschenrechtsorganisationen im chinesischen Westen und der religiösen Bewegungen, die als terroristisch abgestempelt werden. Die international bekannte Regimekritikerin Rebiya Kadeer gerät durch Thamms Darstellung ins Zwielicht und wird von ihm indirekt in Verbindung mit dem islamistischen Terrorismus gebracht. Pekings Staatspropaganda lässt grüßen. Die uigurische Unternehmerin Kadeer wurde wegen ihrer Kritik an der Unterdrückungspolitik in Xinjiang und der Korruption der chinesischen kommunistischen Nomenklatura zu einer jahrelangen Gefängnisstrafe verurteilt. Die Anklage lautete "Verrat und Verbreitung von Staatsgeheimnissen".
Kommentarlos gibt Bernd Georg Thamm die Meinung des chinesischen KP-Chefs wider, der Rebiya Kadeer vorwarf, sich bei ihrem Deutschland-Besuch im August 2005 mit Terroristen getroffen zu haben. Damit meinte er die hierzulande lebenden Uiguren. Als Quelle dient dem Autor das oben erwähnte "Manuskript" der chinesischen Botschaft.
Der Dschihad in Asien. Die islamistische Gefahr in Russland und China.
Deutscher Taschenbuch Verlag; München 2008; 280 S., 15 ¤