BUNDESNACHRICHTENDIENST
Nach der Affäre um die Bespitzelung von Journalisten verlangen parlamentarische Kontrolleure mehr Macht
Dieses Mal lassen die Aufseher ihre Muskeln spielen. Zwei Tage lang nehmen die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags im Sitzungsraum ihres Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) Ernst Uhrlau in die Mangel. Danach geben die Abgeordneten im Keller des Jakob-Kaiser-Hauses dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und seiner Agentenbehörde im dichten Pulk von TV-Kameras so richtig Saures.
Da attackiert und missbilligt aufs Schärfste der Ausschussvorsitzende Thomas Oppermann (SPD) "erhebliche Grundrechtsverletzungen" durch den BND, bei den Vertretern aller Fraktionen ist von einem "gestörten Vertrauensverhältnis" zwischen Bundestag und Geheimdienstspitze die Rede. Auf die Palme gebracht hat die Volksvertreter, dass der BND 2006 mehrere Monate lang den (nach Medienberichten teils höchst privaten) E-Mail-Verkehr einer deutschen Auslandsreporterin mit einem afghanischen Minister ausgeforscht hat - und dies, obwohl seinerzeit kurz zuvor das Kanzleramt Pullach verdonnert hatte, das Ausspionieren von Medienleuten zu unterlassen.
Eigentlich darf der Aufstand des oft der Machtlosigkeit geziehenen PKG als kleine Sternstunde gelten: Endlich einmal können die Aufseher den BND in die Schranken weisen. Zwar kommt es nur zu personellen Konsequenzen auf unteren Ebenen des Geheimdienstes, Uhrlau selbst bleibt sozusagen auf Bewährung im Amt. Doch es wird in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert, ob sich der BND "zu einem Staat im Staat" - so der FDP-Abgeordnete Max Stadler - zu entwickeln droht.
Hat die Leitung in Pullach ihren Laden nicht im Griff? Immerhin erfuhr Uhrlau erst Ende 2007 von der Ausforschung der Journalistin, schon im Herbst 2006 waren die mehrmonatige Aktion abgeblasen und Unterlagen vernichtet worden. Eine anonyme Mitteilung, die im Februar mutmaßlich aus dem Innern des BND an einige Parlamentarier und Medien lanciert wurde, brachte den Stein ins Rollen, auch im Kanzleramt.
Das PKG selbst weiß erst seit kurzem umfassend Bescheid. Dieser missliche Umstand belegt, dass die Sternstunde doch keine ist: Ohne die anonyme Information und ohne Medienberichte hätten die Kontrolleure ihre Kraftprobe gar nicht wagen können. Die Empörung über die späte Unterrichtung hat nun einer schon lange schwelenden Debatte neue Dynamik verschafft: Das PKG fordert parteiübergreifend mehr Macht. Hans-Peter Uhl (CSU): "Wir brauchen mehr Kompetenzen." Es gehe nicht um Uhrlau, betont Wolfgang Neškovi?c von der Linkspartei, "sondern um die Fähigkeit zur Kontrolle der Geheimdienste". Stadler sieht Chancen für neue gesetzliche Regelungen noch in diesem Jahr.
Es ist nicht das erste Mal, dass PKG-Mitglieder über problematische Vorgänge bei den Geheimdiensten zu spät unterrichtet werden. Seit Jahren, moniert Stadler, "wird unser Gremium nicht adäquat informiert". Neškovi?c fragt bereits, ob der BND überhaupt zu überwachen ist. Ihm hänge es "zum Hals heraus", schimpft Hans-Christian Ströbele, immer dieselben Fragen zu stellen und "ändern tut sich nichts".
Ohne rechtzeitige Information über Neuralgisches funktioniert eine Kontrolle nicht. Stadler verlangt deshalb, dass die Regierung das PKG vermehrt auch über laufende Aktionen des BND unterrichtet. Dabei sollten nicht operative Details, sondern Grundsatzfragen thematisiert werden.
Als Beispiel nennt der Liberale das Ausspionieren Liechtensteiner Banken: In diesem Fall hätte man im PKG rechtzeitig klären müssen, ob der BND zur Amtshilfe für die Steuerfahndung befugt ist.
Brisant ist ein anderer von Stadler wie Uhl unterstützter Vorschlag: Künftig sollen sich Mitarbeiter der Geheimdienste auch ohne Einschaltung ihrer Präsidenten direkt an das PKG wenden können. An der Spitze, meint der CSU-Politiker, werde doch oft "etwas vertuscht". Das Spiel mit stets problematischen anonymen Botschaften sei dann künftig überflüssig, hofft der FDP-Abgeordnete.
Allerdings wollen die Parlamentarier regeln, dass über das PKG kein interner Streit in den Diensten ausgetragen wird, so Stadler: "Wir sind kein Personalrat."
Richtig heiß ist eine Forderung Neškovi?cs, die auch von Uhl formuliert wird: Der Bundestag soll gegenüber den Geheimdiensten "Sanktionen" verhängen können. Debattiert wird unter PKG-Abgeordneten diese Möglichkeit bei verspäteter Unterrichtung des Kontrollgremiums, aber auch im Falle von Rechtsverstößen durch einen Geheimdienst. Wie "Sanktionen" konkret aussehen können, ist allerdings noch unklar. Stadler will auf jeden Fall, dass Verstöße gegen die Berichtspflicht im Bundestag öffentlich erörtert werden.
Es türmt sich also einiger Konfliktstoff auf. Auch außenpolitisch zieht Ärger herauf. Der E-Mail-Verkehr der Journalistin fiel beim BND als "Beifang" an, nachdem Pullach auf dem Computer des afghanischen Handelsministers Amin Farhang einen Trojaner installiert hatte, um dessen elektronische Post abzuschöpfen. Nun darf Berlin in Kabul erklären, wieso der BND eine von Deutschland politisch unterstützte Regierung ausspioniert.