kambodscha
Die Nahrungsmittelkrise trifft die ohnehin Armen am härtesten
So etwas gibt es nur im Königreich Kam-bodscha: Einmal im Jahr schlägt die Stun-de des Hofastrologen, der bei der königlichen Pflug-Zeremonie vor dem Palast die Menge und die Qualität der Reisernte vorhersagt. In diesem Jahr übrigens fällt sie gut aus, und auch der Weizenertrag soll, geht es nach den Erkenntnissen des Astrologen, überdurchschnittlich hoch sein. Was er nicht vorhersagen konnte, ist die rasante Teuerung, die alle Bereiche des täglichen Lebens erfasst hat.
Das ist zwar in den Nachbarländern wie in Vietnam oder Thailand nicht anders, doch sind die Auswirkungen unterschiedlich. In Kambodscha leben mehr als 35 Prozent der Menschen unter der Armutsschwelle - dies schien sich vor allem dank internationaler Hilfe allmählich zu ändern. Doch die wie ein Flächenbrand um sich greifende Nahrungsmittelkrise droht diese Bemühungen weitgehend zunichte zu machen. Der Reispreis klettert von Monat zu Monat; eine Katastrophe in dem südostasiatischen Land, in dem eine Mahlzeit ohne Reis undenkbar ist. Innerhalb weniger Monate stiegen die Kosten für Reiskäufe von 460 Dollar pro Tonne auf 780 Dollar.
"Die Löhne können mit der galoppierenden Teuerung nicht mithalten", klagt Rong Chhun, Präsident der kambodschanischen Lehrervereinigung. Ein Gehalt von höchstens 100 Dollar sei für ein menschenwürdiges Leben viel zu wenig. Die rund 200.000 Arbeiterinnen in den rund um die Hauptstadt Phnom Penh gelegenen Textilfabriken sind mit einem Gehalt von 55 Dollar im Monat noch schlechter dran. Hatten die jungen Frauen früher noch Verwandte in den Provinzen unterstützen können, so reicht es heute kaum zum eigenen Lebensunterhalt.
Im vergangenen Jahr hatte Son Peisei, Reisfarmerin in der Provinz Battambang, es noch abgelehnt, Geld für Dünger auszugeben. Zu teuer, zu aufwendig, so Son, obwohl sie auf einem Hektar nur 0,7 Tonnen Reis erntete, gegenüber zwei Tonnen im Jahr zuvor. In diesem Jahr will sie alles für eine gesteigerte Produktion tun, denn "Reis ist zum weißen Gold geworden". Doch der gute Wille reicht nicht aus, denn den meisten Reisbauern fehlt nicht nur das Geld für besseren Dünger, ihnen fehlt auch das Wissen um effektivere Anbaumethoden.
"Die weltweit noch immer hohen Nah-rungsmittelpreise treffen besonders die Ärmsten der Armen. Wer mit einem Dollar seinen Tag bestreiten muss, kann nicht plötzlich doppelt so viel für einen Sack Reis bezahlen", betont Simone Pott, Pressesprecherin der Welthungerhilfe. Die konkrete Projektarbeit der Welthungerhilfe in Kambodscha und in Laos sei von den Preissteigerungen nicht betroffen, da ihre Hilfsorganisation andere Wege gehe.
In Kambodscha und Laos führe die Welt-hungerhilfe jeweils zwei so genannte "Food for work"-Projekte durch, in denen die Menschen Nahrungsmittel als Lohn für geleistete Stunden im Bereich Straßenbau oder für die Reparatur von Bewässerungssystemen bekommen. Simone Pott: "Die dort verteilten Mengen mussten nicht verringert oder gekürzt werden, da wir die höheren Preise etwa für Reis durch einen günstigen Wechselkurs zwischen Euro und Dollar ausgleichen konnten."
eingestellt Das Welternährungsprogramm (WFP) hingegen hat massive Finanzierungsprobleme. Sie haben dazu geführt, dass die Schulspeisung für rund 450.000 Schüler in über 1.300 Schulen in elf kambodschanischen Provinzen über Monate ausgesetzt wurde. "Das Frühstück war für die meisten Kinder die einzige gehaltvolle Mahlzeit am Tag", sagte Coco Ushiyama, stellvertretende Landesdirektorin des WFP. Hier zeigt sich der brutale Zusammenhang zwischen Armut und Bildung. Denn die Schulen berichten übereinstimmend, dass die Schüler ohne die unentgeltliche Mahlzeit entweder zu spät zum Unterricht kommen oder ganz zu Hause bleiben. Für die Dorffamilien war das Essen eine große Entlastung - und sie wussten ihre Kinder gut aufgehoben. Das hat sich radikal geändert.