Krankenhäuser
Die Kliniken plagen Finanznöte. Teurer wird es wohl für Beitrags- und Steuerzahler
Das Szenario, das der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Rudolf Kösters, zeichnet, verspricht Unheil - Unheil für die rund 2.100 Kliniken, von denen wohl mehr als die Hälfte in diesem Jahr ein Defizit erwirtschaften wird. Unheil auch für die Patienten: Denn der Kostendruck werde, betont Kösters, weiteren Personalabbau nach sich ziehen, was sich auf die Versorgungsqualität in den Krankenhäusern "spürbar" auswirken werde. Schließlich müssten immer weniger Ärzte und Pflegekräfte immer mehr leisten, da sich die Fallzahlen in den Krankenhäusern seit 1996 um 670.000 erhöht hätten. Den deutschen Kliniken steht, so Kösters, das Wasser bis zum Hals. Der Marburger Bund, die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sowie die kirchlichen Krankenhausverbände bestätigten dies in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses am 18. Juni einmütig.
Dass die Verbände über Unterfinanzierung der Kliniken klagen, ist nichts Neues. Die Deckelung des Budgets, die Abrechnung nach Fallpauschalen, aber auch die Streichung von Arzneimittelrabatten machen den Krankenhäusern seit Jahren zu schaffen - gleichwohl haben sich die meisten Häuser mit Rationalisierungen auf die härteren Zeiten klammer Kassen eingestellt. Nun aber sehen Ärzte, Klinikbetreiber und Co. das Fass überlaufen. Die Gründe erläuterten sie den Abgeordneten wie folgt: Allein die Tarifabschlüsse sowie die Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln verursachten in diesem und im kommenden Jahr zusätzliche Kosten von rund 8 Milliarden Euro. Hinzu komme der Sanierungsbeitrag für die Krankenkassen - ein Rechnungsabschlag von von 0,5 Prozent. Die Vergütungserhöhung betrage für die Jahre 2008 und 2009 aber insgesamt nur 1,36 Milliarden Euro. Die Finanzlücke könnten viele Krankenhäuser nicht mehr ohne Qualitätsverlust über Einsparungen ausgleichen. "Wir haben keine Spielräume mehr", sagte Kösters und rief mit seinen Kollegen die Bundesregierung auf, die Finanzsituation der Krankenhäuser nachhaltig zu sichern.
Zu den geforderten Schritten zählen: den Sanierungsbeitrag umgehend zu stoppen, die Preis- und Tarifsteigerungen auszugleichen und für eine verlässliche Investitionsförderung zu sorgen. Kein Wunder also, dass die Mehrzahl der Verbände mit den Anträgen von FDP, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/9057, 16/8375, 16/9008), die der Anhörung zugrunde lagen, in vielen Punkten übereinstimmten.
Allerdings zeichneten die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen ein ganz anderes Bild von der finanziellen Situation der Krankenhäuser. Eine aktuelle Finanznot gebe es nicht, heißt es in ihrer Stellungnahme zur Anhörung. Die Defizitszenarien seien einseitig und entsprächen nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Kostendruck sei im Übrigen keine Besonderheit des Krankenhaussektors. "Rationalisierungsreserven waren da und sind da", sagte der Experte des Verbandes der Angestellten Krankenkassen (VdAK), Stefan Wöhrmann, in der Anhörung. Es könne nicht Aufgabe der Kostenträger sein, bestehende ineffiziente Kliniken zu finanzieren.
Die Kassen weisen zudem darauf hin, dass sich der Krankenhausmarkt in Folge des Fallpauschalensystems "in einem verstärkten Qualitäts- und Preiswettbewerb" befinde. Es sei damit zu rechnen, dass sich die Zahl der Krankenhäuser bis zum 2020 auf bis zu 1.500 reduzieren werde. Dabei handele es sich nicht um ein "Krankenhaussterben", sondern "um einen politisch gewollten Konsolidierungs- und Konzentrationsprozess". Auch der Berliner Gesundheitsökonom Professor Klaus-Dirk Henke mochte den Klinik-, Ärzte- und Pflegeverbänden ihr Lamento nicht ohne Weiteres durchgehen lassen. Er wies darauf hin, dass es trotz der Rationalisierungen bei der Bettenzahl immer noch eine Überkapazität gebe. Auf 1.000 Einwohner kämen 6,4 Krankenhausbetten, "nur Japan und Südkorea haben mehr", sagte Henke.
Die Krankenkassen sehen bei den Krankenhäusern jedoch sehr wohl ein Finanzierungsproblem. Dieses betreffe aber nicht den laufenden Betrieb, sondern die Investitionen. In der Pflicht seien hier die Länder, betonte Wöhrmann. Der Anteil der öffentlichen Fördermittel an den Krankhausaufgaben sei seit 1972 stetig von 25 Prozent auf rund fünf Prozent gesunken. "Zahlten die Länder 1993 noch insgesamt 3,9 Milliarden Euro für Krankenhausinvestitionen, waren es 2006 nur noch 2,7 Milliarden Euro", schreiben die Kassen. Unerlässliche Investitionen müssten die Kliniken deshalb aus ihren Erlösen finanzieren. "Die Zahlungen der Krankenkassen, die eigentlich die laufenden Personal- und Sachkosten für die Krankenhausbehalndlung decken sollen, werden also zum Teil für Investitionen zweckentfremdet", heißt es.
Auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) appellierte einen Tag nach der Anhörung an die Länder, ihren Investitionsverpflichtungen nachzukommen. Zugleich kündigte sie ein Sonderprogramm für die Kliniken im Umfang von "einigen Hundert Millionen" Euro an, das die Krankenkassen bezahlen sollen. Bis zu 21.000 neue Pflegekräfte sollen in den kommenden drei Jahren eingestellt werden, so Schmidt. Teurer, das zumindest lässt sich schon sagen, wird es für die Bürger auf jeden Fall - ob als Steuer- oder Beitragszahler.