Wenn Reinhold Robbe an das Kasernentor klopft, gibt es meist ein bisschen Aufregung. Plötzlich steht der Wehrbeauftragte da, hat vorher nicht Bescheid gesagt und will mit möglichst vielen Menschen sprechen: mit Wehrdienstleistenden und Zeitsoldaten, Einheitsführern, Vertrauensleuten und mit Militärseelsorgern. Darf er das?
Ja, das darf er. Der Wehrbeauftragte des Bundestages hat das gesetzliche Recht, der Bundeswehr auch unangemeldete Besuche abzustatten. Wenn er kommt, muss die Truppe eben einmal ihren Dienstplan umstellen. Spontan und vor Ort werden neben einem kurzen Lagevortrag Gesprächsrunden organisiert und Besichtigungen ermöglicht. Sind die Soldaten gerade zur Ausbildung im Gelände, stellt sich Robbe auch darauf ein - und fährt sie dort besuchen.
Damit ihr Dienstherr - ob als Überraschungsgast oder als Gastgeber - stets gut vorbereitet ist, sorgen Peter Nowak (im Bild rechts) und seine vier Mitarbeiter (v.l.n.r.: Referent Mirko Jonscher, Karin Domsch aus dem Vorzimmer, Sachbearbeiter Jürgen Vockel und Referentin Franca Wolff.
Das gilt natürlich auch für den Jahresempfang am 23. Juni. Und vor jedem Truppenbesuch erstellt das Team ein Dossier mit den wichtigsten Informationen zum Standort und zu dem jeweiligen militärischen Verband: Was ist das Besondere, sind Probleme bekannt? Um letztgenannte zu finden, schauen sie vor allem, welche Eingaben und Beschwerden in den vergangenen Monaten von dort eingegangen sind - jeder Soldat hat schließlich das Recht, sich jederzeit persönlich an den Wehrbeauftragten zu wenden. Zur Sprache kommen bei den Truppenbesuchen ernste Vorfälle, aber auch Probleme des Alltags von Soldaten: Die Unterbringung, das Essen, die Bürokratie, oder welche Schwierigkeiten die Trennung von der Familie so mit sich bringt. Die Gesprächsnotizen fließen in ausführliche Berichte ein, die in den Fachreferaten beim Wehrbeauftragten weiter bearbeitet werden. In zusammengefasster Form werden die so gewonnenen Erkenntnisse und Bewertungen regelmäßig dem Parlament berichtet.
Reinhold Robbe ist also so etwas wie das "Auge und Ohr des Parlaments" bei der Bundeswehr. Weniger bildhaft gesprochen überprüft der Wehrbeauftragte im Auftrag des Bundestages den Schutz der Grundrechte der Soldaten und die Innere Führung bei der Truppe. Kaum ein anderes Land verfügt über eine vergleichbare Institution. Geschaffen wurde es vor mehr als fünfzig Jahren mit Blick auf die nationalsozialistische Vergangenheit: Die Politik wollte mit der Gründung der Bundeswehr zugleich ein besonderes Organ zur Kontrolle der Streitkräfte schaffen, das unmittelbar den Volksvertretern verpflichtet ist.
Von den 60 bis 80 Besuchen, die Robbe der Bundeswehr jedes Jahr abstattet, führen einige ins Ausland: Bis vor einer Woche war er noch in Afghanistan, davor bei der KFOR im Kosovo. Die Auslandsreisen - wie auch einzelne Inlandsreisen - finden mit Voranmeldung statt. Auch sie werden von Nowak und seinem Team in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Bundeswehr gründlich vorbereitet. Zentral ist dabei immer, dass vor Ort kein geschöntes Bild vermittelt werden soll. "Wir wollen nicht nur mit den Kommandeuren sprechen," erläutert Peter Nowak, "vertrauliche Gespräche mit den Soldaten aller Dienstgrade müssen immer ins Programm."
Was der Wehrbeauftragte bei diesen Gesprächen erfährt, interessiert - nicht zuletzt in Zeiten häufiger Auslandseinsätze - auch die Öffentlichkeit: Ist die Bundeswehr für einen Einsatz wie im umkämpften Afghanistan eigentlich angemessen ausgestattet? Sind die Soldaten gut genug ausgebildet? Geraten sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit? Was bedeutet so ein Einsatz für einen Soldaten ganz persönlich? Neben der Unterrichtung des Parlaments ist dem Wehrbeauftragten auch die Information der Bevölkerung ein Anliegen - und so ist das Referat auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Nowak und seine Mitarbeiter koordinieren Interviews mit Reinhold Robbe und veröffentlichen Broschüren. Und sie bereiten die Pressekonferenz zur Vorstellung des Jahresberichts vor. Der stellt in jedem Jahr die aktuellen Probleme in der Bundeswehr in den Fokus - und zieht wohl mehr Aufmerksamkeit auf sich als die meisten anderen Jahresberichte der Republik.