Gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung befürwortet
Eine gesetzliche Regelung über so genannte Patientenverfügungen ist notwendig. Dieser Meinung waren fast alle Sachverständigen, die zu einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwoch, 4. März 2009, geladen waren. Entsprechende gegenteilige Behauptungen – wie etwa der Bundesärztekammer – wiesen sie zurück. Die Experten äußerten sich zu drei parlamentarischen Initiativen, die dem Bundestag zurzeit vorliegen.
Der Gesetzentwurf des SPD-Abgeordneten Joachim Stünker und des
FDP-Parlamentarier Michael Kauch (
16/8442) berücksichtige am besten das
Selbstbestimmungsrecht des Patienten, urteilte Prof. Dr.
Friedhelm Hufen von der Universität Mainz. Das
Sterben in Würde und die Beachtung eines in freier
Selbstbestimmung geäußerten Patientenwillens
gehörten zur Menschenwürde. Ärzte, Betreuer und
Gerichte seien folglich unmittelbar an den verfassungsrechtlich
geschützten Patientenwillen gebunden.
Selbstbestimmung und Information
Ein Änderungsantrag der SPD-Abgeordneten Marlies Volkmer vereinige die Vorzüge des an der Selbstbestimmung orientierten Entwurfes von Stünker undKauch und die auf Information und Konsens setzenden Elemente des Entwurfs der Unionsabgeordneten Wolfgang Zöller und Hans Georg Faust ( 16/11493), so der Sachverständige.
Dr. Michael de Ridder, Chefarzt
der Rettungsstelle des Vivantes Klinikums Am Urban in Berlin,
betonte, nicht wenige Patienten, gerade im hohen Alter, würden
sich mit einer Patientenverfügung gezielt und bewusst gegen
äußerste Optionen der Medizin entscheiden und lieber
ihrer Selbstbindung als einem fremden ärztlichen Urteil
folgen.
Kritik übte er am Gesetzentwurf des Abgeordneten Wolfgang
Bosbach und weiterer Abgeordneter (
16/11360). Die Vorlage enthalte im Kern eine
Entmündigung der Person, die eine Patientenverfügung
erstellt habe.
Palliativmedizin als Pflichtfach empfohlen
Prof. Dr. Gian Domenico Borasio vom Münchner Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin betonte, der beste Schutz vor ärztlichen Fehlern bestehe in einer besseren Ausbildung der Ärzte in Palliativmedizin. Dringend notwendig sei ein Gesetz, das die Palliativmedizin als Pflichtfach in die ärztliche Approbationsordnung einführe.
Borasio lobte den unter der Federführung Zöllers und
Fausts entstandenen Gesetzentwurf, da dieser die Bedeutung der
Umsetzung der Patientenverfügung zwischen Arzt und Betreuer
umfassend sichere. Er regte an, diesen Entwurf um zwei Elemente der
beiden anderen Gesetzentwürfe zu bereichern.
Übernommen werden sollten danach die qualifizierte
ärztliche Beratung als „Soll-Vorschrift“ aus dem
Gesetzentwurf des Abgeordneten Bosbach und die Formulierungen zur
Ermittlung des mutmaßlichen Willens aus dem Entwurf von
Stünker und Kauch-Entwurf.
Anspruch auf Sterben in Würde
Der Vizepräsident des Oberlandesgerichts München, Dr. Hans-Joachim Heßler, hob das in der Patientenverfügung enthaltene Freiheitsrecht hervor. Schwerstkranke hätten einen Anspruch darauf, in Würde sterben zu dürfen.
Die Ärzte dürften den Patienten nicht als Objekt, sondern
müssten ihn als Subjekt wahrnehmen, mahnte Prof. Dr.
Volker Lipp von der Universität Göttingen. Der
Wille des Patienten sei stets uneingeschränkt anzuerkennen. Er
sei unabhängig von der Form und der Art seines Nachweises zu
beachten.
Prof. Dr. Wolfram Höfling von der
Universität Köln warf die Frage auf, ob jede
Patientenverfügung eine strikte Verbindlichkeit genieße.
Der nicht selten erhobene Vorwurf der
„Überbürokratisierung“ des Sterbens gehe
fehl.
Hoher Beratungsbedarf
Der Beratungsbedarf für eine kompetent ausgefüllte Patientenverfügung sei „unendlich hoch“, stellte der Chefarzt des Ketteler-Krankenhauses in Offenbach, Dr. Stephan Sahm, fest.
Daher sollte nur die Patientenverfügung verbindlich sein, die
die formalen und inhaltlichen Anforderungen erfüllt. Es gelte
Patienten vor womöglich unreflektiert abgefassten
Willensbekundungen zu schützen, sagte der
Sachverständige.
Liste der geladenen Sachverständigen
Prof. Dr. Gian Domenico Borasio, Interdisziplinäres
Zentrum für Palliativmedizin, München
Dr. Hans-Joachim Heßler, Vizepräsident
am Oberlandesgericht München
Prof. Dr. Wolfram Höfling M.A., Institut
für Staatsrecht der Universität zu Köln
Prof. Dr. Friedhelm Hufen, Lehrstuhl für
Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht, Fachbereich
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Prof. Dr. Christian Jäger, Lehrstuhl für
Strafrecht und Strafprozessrecht, insbesondere Wirtschaftsrecht und
Medizinrecht, der Universität Bayreuth
Prof. Dr. Volker Lipp, Universität
Göttingen
Dr. Arnd T. May, Institut für Philosophie der
Ruhr-Universität Bochum
Dr. Michael de Ridder, Vivantes-klinikum Am Urban,
Chefarzt der Rettungsstelle, Berlin
Privatdozent Dr. Stephan Sahm, Ketteler
Krankenhaus, Medizinische Klinik I, Offenbach
Weitere Informationen
Bundestagsdrucksachen zum Thema
- 16/397 - Antrag FDP: Patientenverfügungen neu regeln - Selbstbestimmungsrecht und Autonomie von nichteinwilligungsfähigen Patienten stärken
- 16/8442 - Gesetzentwurf: 3. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts
- 16/11360 - Gesetzentwurf: Patientenverfügungsgesetz
- 16/11493 - Gesetzentwurf: Patientenverfügungsverbindlichkeitsgesetz