Hinskens Leitlinien in der Kritik
Tourismus gehört weltweit zu einem der größten Wirtschaftszweige. Und auch in Deutschland boomte das Reisegeschäft in den vergangenen Jahren. Doch die Branche steht vor großen Herausforderungen: Gerade der Klimawandel wird nicht ohne Folgen für den Tourismus bleiben und auch die Wirtschaftskrise wirft ihren Schatten voraus. Die Bundesregierung hat deshalb erstmals tourismuspolitische Leitlinien erarbeitet, über die der Bundestag am Donnerstag, 5. März 2009, beraten hat
Diese „Leitplanken“, sagte Ernst Hinsken (CSU),
Tourismus-Beauftragter der Bundesregierung, sollen der
Tourismusbrache helfen, Kurs zu halten, sodass sie „weiterhin
Wachstumslokomotive für Deutschland“ bleiben könne.
Die Opposition kritisierte die Vorschläge der Regierung
dagegen als „unkonkret und unausgereift“.
Drittwichtigster Wachstumsfaktor
Die tourismuspolitischen Leitlinien ( 16/11594) bezeichnete Ernst Hinsken, der sie maßgeblich mitgestaltet hatte, als Ergebnis dessen, was schon seit Jahren in Deutschland diskutiert würde. Kernanliegen sei es aber nun, die Tourismuspolitik stärker ins Bewusstsein zur rücken. Sie sei schließlich „neben der Biotechnologie und der IT-Branche der wichtigste Wachstumsfaktor des beginnenden 21. Jahrhunderts“, sagte Hinsken.
Wichtig seien deshalb die richtigen Rahmenbedingungen, damit der
Tourismus auch Herausforderungen wie den durch die Globalisierung
verstärkten Wettbewerb der Urlaubsziele bewältigen
könne. Deutschland müsse neue Wege gehen und etwa das
Angebot von Städte- und Kulturreisen stärken und
„den ländlichen Raum aus seinem Dornröschenschlaf
reißen“, forderte der CSU-Abgeordnete.
Tourismusbranch von Bürokratie befreien
Die FDP begrüßte zwar die Initiative der Regierung, Leitlinien zur Tourismuspolitik vorzulegen, doch deren Umsetzung erntete deutliche Kritik: So nannte Ernst Burgbacher sie „unkonkret und unausgereift“. „Handlungsanweisungen kann man daraus nicht ablesen“, monierte der FDP-Politiker.
Außerdem stünden die Leitlinien in krassem Gegensatz zur
Politik der Bundesregierung: So verspreche diese zwar,
Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen, weigere sich aber
gleichzeitig, für vergleichbare Mehrwertsteuersätze in
Europa zu sorgen. „Die sind aber
wettbewerbsverzerrend“, bekräftigte Burgbacher.
Auch wolle die Große Koalition eigentlich die
Rahmenbedingungen des Tourismus verbessern, doch sorge sie mit
neuen Steuern und Abgaben dafür, dass die Bürger
„immer weniger Netto vom Brutto“ hätten. Das
schade der Branche. Burgbacher forderte darüber hinaus, sie
endlich von unnötiger Bürokratie zu entlasten.
„Barrierefreies“ Reisen fördern
Eine Chance für die deutsche Reisebranche sieht Annette Faße vor allem im barrierefreien Tourismus. Barrierefreiheit sei schließlich nicht nur sozial, es sei auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, so die tourismuspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.
Mehr noch: „Es könnte weltweit zum Gütesiegel
für Deutschland werden“, sagte Faße. Doch um
dieses Ziel zu erreichen müsse noch viel getan werden. Aus
diesem Grund hätten CDU/ CSU und SPD die Initiative ergriffen
und einen Antrag vorgelegt, der vorsieht, barrierefreies Reisen
gezielt zu fördern (
16/12101).
Linksfraktion fordert „Tourismus für
alle“
Dr. Ilja Seifert (Die Linke) lobte diesen Ansatz der Bundesregierung, bemängelte aber, die Tourismuspolitik der Bundesregierung stelle anstatt des Menschen und seiner Bedürfnisse zu sehr die Wirtschaft in den Mittelpunkt. Seine Fraktion trete dagegen für einen „Tourismus für alle“ ein. Reisen bilde und nütze der Gesundheit
Es sei „nicht akzeptabel“, wenn die Menschen aus
finanziellen Gründen immer weniger Reisen könnten. Auch
Hartz-IV-Empfänger müssten in Urlaub fahren können.
Kinder- und Jugendfahrten möglich zu machen, sei zudem ein
„Bildungsauftrag“, sagte Seifert.
„Leitlinien nichts weiter als Prosa“
Bettina Herlitzius (Bündnis 90/Die Grünen) warnte zudem, bei der Förderung von Wirtschaft und Tourismus die Umwelt zu vergessen. „Ist es wirklich der richtige Weg, wenn wir Flughäfen vergrößern und die Natur verbauen?“, fragte die Tourismus-Expertin der Fraktion.
Die Reisebranche stehe doch vor ganz anderen Problemen: So
hätten viele Unternehmen zu wenig investiert und auch die
Qualität deutscher Gastsstätten und Pensionen könne
noch verbessert werden: „Da schlägt einem ja noch der
Charme der fünfziger Jahre entgegen“, sagte Herlitzius.
Hier müsse die Politik Investitionen unterstützen. Die
Leitlinien der Bundesrepublik seien dabei jedoch nur wenig
hilfreich, kritisierte die Abgeordnete: „Das ist nichts
weiter als Prosa.“
Keine Kohlendioxid-Kennzeichungspflicht für Reiseveranstalter
Im Anschluss an die Aussprache stimmten die Abgeordneten gegen einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, die darin mehr Engagement für eine nachhaltige Tourismusentwicklung gefordert hatten ( 16/9346).
So wollte die Fraktion unter anderem Reiseveranstalter künftig
verpflichten, die Höhe der transferbedingten
Kohlendioxidemissionen der im Rahmen einer Pauschalreise gebuchten
Verkehrsmitteln gut sichtbar auszuweisen.