Mehr Befugnisse für den BND
Unter welchen Umständen die Geheimdienste in das durch Artikel 10 des Grundgesetzes garantierte Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingreifen dürfen, regelt das Artikel-10-Gesetz. 2001 zuletzt umfassend novelliert und neu gefasst, soll es nach Willen der Bundesregierung nun um weitere Befugnisse für den Bundesnachrichtendienst ergänzt werden. Am Freitag, dem 27. März 2009, verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Koalition gegen die Opposition Änderungen des „G10“-Gesetzes.
Mit diesem Gesetz zur Änderung des Artikel 10-Gesetzes
über Beschränkungen beim Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnis werden verschiedene Ergänzungen zugunsten
des Bundesnachrichtendienstes (BND) vorgenommen (
16/509). Insgesamt erhält der BND damit
verbesserte Möglichkeiten zur Aufklärung.
Strategische Telekommunikationsüberwachung
Neu definiert wurden die Befugnisse zur strategischen Telekommunikationsüberwachung bei Proliferation (Weiterverbreitung von Atomwaffen) und internationalem Waffenhandel, beim internationalen Rauschgifthandel und bei einem neuen Beobachtungsbereich der illegalen Schleusungen.
Mit dem Gesetz sollen aber auch die Lokalisierungs- und
Rettungsmöglichkeiten gefährdeter Personen im Ausland
verbessert werden. Darüber hinaus werden die Datenverarbeitung
und der Datenschutz beim BND verbessert. Im Interesse von
Rechtsklarheit und Datenschutz werden die Befugnisse des BND zur
Datenübermittlung durch eine neue eigenständige Regelung
dargestellt.
Der Entwurf bezieht sich auf einen im Zuge der Novellierung des
„G10“-Gesetzes im Jahr 2001 vereinbarten
Erfahrungsbericht der Bundesregierung zur damaligen Neuregelung der
Beschränkungen beim Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis.
Weitere Befugnisse für Sicherheitsbehörden sind
notwenig
Insgesamt sei der Bericht damals zu dem Ergebnis gekommen, "dass das Gesetz den Ansprüchen entspreche“, sagte Helmut Brandt (CDU). Doch es habe sich im Detail gezeigt, dass die Befugnisse für die Sicherheitsbehörden nicht ausreichten.
Überarbeitungsbedarf habe insbesondere mit Blick auf die
Datenerhebung und -verarbeitung des Bundesnachrichtendienstes im
Bereich der strategischen Telekommunikationsüberwachung
bestanden. So sei es unter anderen auch notwendig, Mobiltelefone
überwachen zu können, sagte Brandt. Zudem müsse es
im Einzelfall möglich sein, auch Daten von 14-Jährigen
speichern zu dürfen.
Änderungen nicht „zwingend notwendig“
Der Gesetzentwurf erntete jedoch Kritik seitens der Opposition. So bekräftigte Max Stadler (FDP), dem Entwurf könne seine Fraktion nicht zustimmen. Es handele sich um ein sensibles Thema, das schon vor dem Inkrafttreten des ersten G10-Gesetzes 1968 das Bundesverfassungsgericht beschäftigt habe. Nun sei eine erneute Ausweitung der Befugnisse für den BND vorgesehen, ohne dass sie „zwingend notwenig“ wäre, so Stadler.
Insbesondere der Umstand, dass auch die Daten von Jugendlichen
gespeichert werden könnten, kritisierte der FDP-Politiker
scharf: „Wollen wir auch bald auch die Daten von Kindern
speichern?“ Oft seinen die Verdachtsmomente so vage, umso
vorsichtiger müsse mit den Daten umgegangen werden.
Gesetz nicht vereinbar mit Grundgesetz
Petra Pau (Die Linke) monierte, dass der erste Entwurf zur Änderung des „G10“-Gesetzes kurzfristig vor der Abstimmung erneut geändert worden sei und der Opposition so keine Zeit gegeben wurde, die neue Version im Ausschuss zu beraten. Selbst der Bundesbeauftragte für Datenschutz sei nicht davon in Kenntnis gesetzt worden.
„Ein Schelm, wer da an Zufall denkt“, sagte Pau.
Dennoch habe ihre Fraktion eine Kurzstellungnahme von ihm einholen
können. Das Fazit: Der Datenschutzbeauftragte halte die
Änderungen für nicht vereinbar mit dem Grundgesetz, so
die Abgeordnete der Linksfraktion.
„Unparlamentarisches Eilverfahren“
Auch Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/ Die Grünen) kritisierte, der Entwurf enthalte „22 Seiten“ Neuerungen gegenüber dem Entwurf, der in erster Lesung im Bundestag beraten worden sei.
Diese kurzfristig eingebrachten Änderungen nun im
„Eilverfahren“ durchzusetzen, nannte der Abgeordnete
„unparlamentarisch und undemokratisch“.
„Nur wenige wohlüberlegte
Änderungen“
Klaus-Uwe Benneter (SPD) verteidigte den Gesetzentwurf. Es seien nur „wenige, notwendige und wohlüberlegte Änderungen“. In Anbetracht der seit 2001 gewachsenen Bedrohungen insbesondere durch den internationalen Terrorismus habe Handlungsbedarf bestanden.
Die SPD sei jedoch in der Lage gewesen, in vielen Bereichen
weitergehende Forderungen des Koalitionspartners
abzuschwächen, so etwa durch die Ausweitung des
Kernbereichsschutzes.
Kritik von Bürgerrechtlern und
Datenschützern
Das heute gültige Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses war im Mai 2001 mit großer Mehrheit im Bundestag verabschiedet worden und am 29. Juni 2001 in Kraft getreten. Vertreter der Deutschen Vereinigung für Datenschutz monierten damals, die strategische Fernmeldeüberwachung habe sich von einem Ausnahmeinstrument der Außen- und Sicherheitspolitik zu einem gesetzlichen Normalfall für viele Bedrohungslagen der inneren Sicherheit entwickelt.
Auch der frühere Bundesbeauftragte für den Datenschutz
und die Informationsfreiheit, Joachim Jacob, fand es problematisch,
dass „nun nicht mehr nur Mitglieder terroristischer
Vereinigungen belauscht werden können, sondern auch
Einzeltäter, die Mord, Totschlag, räuberische Erpressung
planen“. Für Jacob war dies eine schmale Gratwanderung
zwischen dem geheimdienstlichem Informationsrecht und polizeilichen
Befugnissen.